© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/15 / 30. Januar 2015

Die Juristen haben das Wort
Thüringen: Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob die CDU versucht hat, durch Bestechung Einfluß auf die Wahl des Ministerpräsidenten zu nehmen
Paul Leonhard

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) hat seine Immunität verloren. Drei weitere Landtagsabgeordnete, darunter Oppositionsführer Mike Mohring (CDU), könnten sie noch verlieren. Und dann steht da noch der Vorwurf im Raum, „hochrangige“ Christdemokraten hätten vor der Ministerpräsidentenwahl versucht, zwei SPD-Landtagsabgeordnete zu bestechen.

Über mangelnde Arbeit können sich die Mitglieder des Justizausschusses des Landtages also nicht beschweren. Klar ist der Fall Ramelow, in dem das Amtsgericht Dresden Aufhebung der Immunität beantragt hatte. Es geht um die Beteiligung des Linkenpolitikers an einer Blockade einer Demonstration in Dresden. Da dieser sich geweigert hat, die Gerichtskosten zu übernehmen, läuft das Verfahren, das Ramelow als „eine Form von politischer Belästigung“ bezeichnet hat, noch immer.

Im Fall von Oppositionsführer Mohring will die Staatsanwaltschaft Erfurt prüfen, ob dieser als Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Weimarer Land Mitgliederlisten manipuliert hat. In einer anonymen Anzeige vom Spätherbst 2014 war das behauptet worden. Flankierend hatte der Spiegel berichtet, daß der Kreisverband wenigstens 119 „Scheinmitglieder“ geführt habe, darunter 19 schon Verstorbene, um höhere finanzielle Zuschüsse zu erhalten. Mohring wies die Manipulationsvorwürfe zurück. Auch eine im Dezember von der damaligen Landesvorsitzenden Christine Lieberknecht eingesetzte Kommission konnte keine Unstimmigkeiten entdecken. Die Sache galt parteiintern als erledigt. Allerdings liegt dem Justizausschuß noch immer der Immunitätsaufhebungsantrag der Staatsanwaltschaft vom 8. Dezember vor. Ob die Ausschußmitglieder diesem folgen, ist unklar. Einige sind der Ansicht, daß es sich hier allein um eine Angelegenheit der CDU handle.

Mohring soll auf der nächsten Sitzung am 20. Februar noch einmal gehört werden. An diesem Tag können sich auch die beiden Linken-Abgeordneten Frank Kuschel und Rainer Kräuter äußern, deren Immunität auf Verlangen der Staatsanwaltschaft ebenfalls aufgehoben werden soll.

„Die ersten 40 Tage sind verkorkst“

Kuschel wird vorgeworfen, im Herbst 2010 Aufrufe zum „Schottern“ von Gleisen unterschrieben zu haben, um einen Castor-Transport zu verhindern. Gegen den früheren Polizisten Kräuter liegt nach Angaben der Thüringer Landeszeitung eine Anzeige eines ehemaligen Kollegen vor.

In der sogenannten Bestechungsaffäre hat die CDU inzwischen Anzeige wegen übler Nachrede gegen zwei Thüringer Sozialdemokraten erstattet. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Volker Emde wirft dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, René Lindenberg, und dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Matthias Hey vor, sie hätten seine Fraktion in der öffentlichen Meinung herabwürdigen wollen, indem sie behaupteten, es hätte seitens der CDU Bestechungsversuche im Zusammenhang mit der Ministerpräsidentenwahl gegeben.

Gegenüber mehreren Zeitungen hatten zwei SPD-Abgeordnete, die anonym blieben, ausgesagt, ihnen seien von der CDU Ministerposten angeboten worden, wenn sie gegen Ramelow stimmten. Emde forderte die Sozialdemokraten auf, „Roß und Reiter zu nennen“, ansonsten aber zu schweigen. Auch Ramelow hatte Anfang Dezember der Bild am Sonntag von einem Abgeordneten erzählt, dem von der CDU ein Amt angeboten worden sei.

Die beiden der üblen Nachrede bezichtigten SPD-Funktionäre haben jetzt ihrerseits die Generalstaatsanwaltschaft aufgefordert, zu prüfen, ob durch die Strafanzeige nicht eine „juristisch falsche Verdächtigung erhoben wurde“, berichtete die Nachrichtenagentur dpa. Außerdem zitiert diese Hey mit den Worten: „Es lag weder im Interesse der betroffenen Abgeordneten noch meiner Fraktion, die Vorfälle in der Öffentlichkeit auszutragen.“ Ob die Vorwürfe, selbst wenn sie sich als wahr herausstellen sollten, strafrechtlich relevant sind, bezweifeln selbst Juristen. Denn selbst wenn es zu einer schwarz-roten Koalition gekommen wäre, hätten die Christdemokraten keinen Einfluß darauf gehabt, wer die der SPD überlassenen Ministerien führt. Kein Wunder, daß Mohring im sozialen Netzwerk postet: „Die ersten 40 Tage von Ramelow sind verkorkst.“

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