© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Knapp daneben
Herausforderungen des Berufslebens
Karl Heinzen

Drei Stunden täglich, so hat der schwedische Soziologe Roland Paulsen herausgefunden, vertreiben sich Angestellte an ihrem Arbeitsplatz die Zeit mit Beschäftigungen, die überhaupt nichts mit ihren beruflichen Aufgaben zu tun haben. Morgens bauen sie beim Kaffee, den ihnen das Unternehmen spendiert, erst einmal den Restalkohol der vergangenen Nacht ab und denken über die Herausforderungen des neuen Tages nach. Gibt es eine Ebay-Auktion, die man im Auge behalten muß? Steht ein Geburtstag an, für den es noch ein Geschenk zu bestellen gilt? Warten Freunde auf einen Anruf? Müssen Termine mit Handwerkern oder Ärzten vereinbart oder Rechnungen beglichen werden? Welche günstigen Flugreisen werden überhaupt für das nächste verlängerte Wochenende angeboten?

Was treiben eigentlich die Freunde auf Facebook?

Läßt sich die Mittagspause wieder etwas ausdehnen?

Sind die Aufgaben des Tages identifiziert, läßt sich in aller Gelassenheit im Internet surfen. Was treiben eigentlich die Freunde auf Facebook? Man nimmt ein zweites Frühstück, plauscht mit Kollegen und beginnt, sich gedanklich auf die Mittagspause vorzubereiten. Vielleicht läßt sich diese wieder etwas ausdehnen? Es gibt immer so viel Wichtiges zu besprechen, daß man darüber schnell die Zeit vergißt! Nachmittags gilt es dann zunächst, das Tief zu überwinden und den Kreislauf wieder anzuregen. Oft will dies nicht gelingen, dann hilft nur ein kurzes Nickerchen oder wenigstens eine Entspannungsübung.

Zur gelebten Arbeit-Leben-Balance gehört schließlich auch, daß man am Abend nicht zu erschöpft ist, um noch etwas zu unternehmen. Ist ausnahmsweise nichts geplant, bleibt man länger im Büro. Überstunden machen stets einen guten Eindruck, und die Hoffnung, daß es dann, wenn es dunkel geworden ist und die meisten nach Hause sind, doch einmal zum Sex mit jemandem kommt, auf den man schon lange ein Auge geworfen hat, stirbt nie.

Die meisten Arbeitnehmer müßten auf diese Weise ein geruhsames Leben führen. Und doch klagen viele über berufliche Belastung. Sie empfinden Streß, weil sie genau wissen, daß sie gar nicht gebraucht werden. Was nämlich, wenn das auch der Arbeitgeber merkt?

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