© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Planwirtschaft funktioniert nicht
Elektromobilität: Im Februar soll ein neues Gesetz Anreize zum Umstieg aufs E-Auto setzen
Christoph Keller

Mit ambitionierten umweltpolitischen Zielsetzungen geizt die Berliner Große Koalition wahrlich nicht. Nur mit ihrer Verwirklichung hapert es. Das fällt bei keinem der im Zuge der Energiewende initiierten Projekte stärker auf als beim „Regierungsprogramm Elektromobilität“.

Eine Million E-Autos, so verkündete Angela Merkel im Mai 2011, sollen bis 2020 auf Deutschlands Straßen rollen. Bis dahin werde sich die Bundesrepublik zum „Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität“ entwickeln. Im Oktober 2014 war man von diesem Ziel jedoch denkbar weit entfernt, da laut Kraftfahrt-Bundesamt derzeit nur knapp 20.000 batteriebetriebene Automobile zugelassen sind. Wo die 980.000 E-Autos herkommen sollen, um bis 2020 Merkels Plansoll zu erfüllen, erscheint daher auch dem auf Wirtschafts- und Technologiethemen spezialisierten Journalisten Winfried Rauscheder, der eine Zwischenbilanz des wenig imposanten deutschen „elektromobilen Zeitalters“ zieht (Natur, 1/2015), einigermaßen rätselhaft.

Null-Emissons-Autos gibt es nur mit Atomstrom

Eine Milliarde Euro an Steuergeldern hätten Bund und Länder in Forschung und Entwicklung gepumpt, „Modellregionen“ subventioniert, „Schaufenster Elektromobilität“ in Berlin, Stuttgart, Niedersachsen, Bayern und Sachsen eingerichtet – Potemkinsche Dörfer. „Genutzt hat es nichts.“ Denn die versprochenen „Leitmärkte“ finde man heute nur außerhalb Deutschlands. In Führung gegangen seien dabei Norwegen und die USA, gefolgt von Japan, Frankreich, den Niederlanden und China. Der japanisch-französische Mittelklassewagen „Nissan Leaf“ sei „das meistverkaufte Elektroauto der Welt“, vor dem „Volt“ des US-Konzerns Chevrolet und dem Luxusmodell „Model S“ des kalifornischen Herstellers Tesla Motors. Erst in „weitem Abstand“ rangieren deutsche Autobauer mit E-Smart (Mercedes), Ampera (Opel) oder e-Golf (Volkswagen). Die Nase vorn haben die Deutschen nur bei einem technisch eher anspruchslosen Fortbewegungsmittel – dem E-Fahrrad.

Im Vergleich mit Norwegen fehle es hierzulande an Wirtschaftlichkeit und infolgedessen an Akzeptanz. Ökologischer Purismus erwarte zudem „Null-Emissions-Fahrzeuge“, die es paradoxerweise nur in Frankreich gibt, wo E-Autos mit dem Strom von Atomkraftwerken laufen, die in Deutschland Opfer der Energiewende wurden. Die wiederum bedingt, daß Deutschland mit Preisen von 23 bis 28 Cent pro Kilowattstunde zu Europas teuersten Stromländern zählt.

Darum, so betonen die Vorstände von Mercedes und VW unisono, könne man selbst mittelfristig kein batterieelektrisches Auto anbieten, „das für sich genommen wirtschaftlich ist“. Obwohl im Programm, verzichte man deshalb darauf, die zwischen 30.000 und 40.000 Euro teuren E-Modelle „offensiv zu bewerben“. Trotz der geschätzten potentiellen 600.000 Interessenten an reinen E-Autos und den sogar fast drei Millionen Führerscheininhabern, die sich bald einen Wechsel zu Fahrzeugen mit anderem alternativen Antrieb (Gas- oder Plug-in-Hybride) vorstellen könnten, bremsen die Kosten den zügigen Einstieg in die Elektromobilität. Diese Abhängigkeit vom teuren Strom könnte eine „Vision von Ingenieuren“ beenden: das Brennstoffzellenauto, das seine Energie aus Wasserstoff oder Methanol selbst erzeugt. In Japan stehe die Markteinführung zwar 2015 an, Mercedes avisiere ein Modell für 2017, aber ein Massenartikel werde dieses Gefährt in absehbarer Zeit nicht.

Die Akzeptanzhürde wäre, so schlägt Rauscheder vor, nach dem Vorbild Norwegens oder der USA zu überwinden, wenn der Staat E-Autokäufer mit steuerlichen Anreizen ködere. „Realistisch betrachtet“, käme die deutsche Regierung um eine solche „Anschubfinanzierung“ kaum herum. Überdies bringe vielleicht das im Februar 2015 in Kraft tretende Elektromobilitätgesetz (Emog) neuen Schwung. Es schaffe die Grundlage von Sonderberechtigungen für E-Autos wie etwa die bevorzugte Benutzung der Busspur sowie die Einrichtung innerstädtischer Zonen, die nur Null-Emissions-Autos offenstehen. Zumindest der E-Automarkt für gewerbliche Fahrzeuge dürfte davon profitieren.

Foto: E-Auto an der Stromzapfsäule: Weil die Verbraucher nicht wollen, sollen sie steuerlich gesteuert werden

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