© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  05/15 / 23. Januar 2015

Planmäßig ausgetrocknet
Parteien: Die vor 25 Jahren gegründete DSU steht stellvertretend für viele vergebliche Versuche, eine Partei rechts von der Union zu gründen
Andre Freudenberg

Wenn sich heute noch jemand mit der DSU beschäftigt, dann tut er es wohl vor allem aus zeitgeschichtlichem Interesse heraus, denn eine politische Bedeutung kommt ihr nicht mehr zu. Die kommunalen Mandatsträger lassen sich an einer Hand abzählen, bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr in Sachsen erreichte sie gerade einmal 0,2 Prozent der Zweitstimmen.

Dabei war die Ausgangslage der am 20. Januar 1990 in der Leipziger Gaststätte „Goldene Krone“ gegründeten Partei durchaus vielversprechend: Die antikommunistische Wendestimmung und die tatkräftige Unterstützung durch die bayerische CSU gaben ihr erheblichen Auftrieb.

Bei der ersten und einzigen freien Wahl der DDR-Volkskammer im März 1990 erreichte die DSU 6,2 Prozent der Zweitstimmen. Ein beachtliches Resultat für eine erst wenige Monate existierende Partei. Die Regierungsbeteiligung folgte, die DSU stellte zwei Minister im Kabinett von Lothar de Maizière (CDU). Das Entwicklungshilfeministerium übernahm der vormalige Pfarrer Hans-Wilhelm Ebeling, Innenminister wurde Peter-Michael Diestel. Thematische Schwerpunkte bildeten neben der schnellen Herbeiführung der deutschen Einheit die konsequente Aufarbeitung des SED-Unrechts und analog dazu die Beseitigung kommunistischer Symbole. So wurde ein Antrag gestellt, das DDR-Wappen von allen öffentlichen Gebäuden zu entfernen.

Es ist wohl bittere Ironie der Geschichte, daß die schnelle Einheit, für die die Partei vehement kämpfte, zugleich ihr faktisches Ende auf nationaler Ebene bedeutete. Die Themen, die die DSU besetzte, verloren an Relevanz: Die deutsche Einheit war verwirklicht, die Nachwirkungen der SED-Herrschaft verblaßten zunehmend. Lediglich auf kommunaler Ebene konnte sie noch punkten und eine beachtliche Zahl an Mandaten erringen.

Der Umgang der CDU mit der DSU war ambivalent. Als Partei, deren Ursprung die friedliche Revolution war, genoß sie bei der Union „Sonderkonditionen“, wie Karl-Heinz Obser, späterer Landesvorsitzender und zehn Jahre DSU-Stadtrat in Leipzig, rückblickend konstatiert. Trotzdem stellte sie auch eine Gefahr für die Christdemokraten dar und sollte daher verschwinden. So forderte der sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf 1992 in einem „Brandbrief“ den damaligen Kanzler Kohl auf, dieser möge sich für ein baldiges Ende der CSU/DSU-Kooperation stark machen. Zu diesem Zeitpunkt hielten die Bayern noch an ihrer ungeliebten „Schwester“ fest, setzten aber alles daran, eine von großen Teilen der DSU befürwortete „Westausdehnung“ zu verhindern. Als dies 1993 nicht mehr gelang, kam es zum offenen Bruch: Waigel trat als „Ehrenvorsitzender“ zurück, man stellte jegliche Unterstützung seitens der Bayern ein, ließ die Partei finanziell „verhungern“.

Einen anderen Verlauf hätte das Ganze wahrscheinlich unter der Ägide von Franz Josef Strauß genommen. Tochter Monika Hohlmeier gestand auf Nachfrage des DSU-Gründungsmitglieds Renate Alt ein, daß dieser „die CSU nach Osten ausgedehnt“ hätte. Seine Nachfolger, die sich gerne auf ihn berufen, wollten davon jedoch nichts mehr wissen.

So blieb nur der Weg der DSU-„Westausdehnung“, den der seit 1993 amtierende Parteichef Roberto Rink beschritt. Diese aber geriet zum Desaster. Kooperationsbemühungen mit ähnlich gelagerten Gruppierungen im Westen kamen über die Sondierungsphase nicht hinaus. Der Mitglieder- und Mandatsverlust setzte sich in den Folgejahren unaufhaltsam fort.

Die CDU warb gezielt Personal ab

Die DSU ist ein typisches Beispiel dafür, wie Parteigründungen rechts von der Union bis zum Aufkommen der AfD in der Regel verliefen: Nachdem die „Anfangseuphorie“ verflogen war, brachen interne Konflikte auf, etwa zwischen Basis und Funktionären, Westausdehnungsbefürwortern und -gegnern, liberal- und rechtskonservativem Flügel. Eine einigende, integrierende Person – die die Partei zusammenhielt – fehlte jedoch, Kräfte, die der DSU zumindest eine gewisse Medienpräsenz sicherten, zogen sich zurück. Die damals weniger linkslastige Union konnte die Deutschsozialen geschickt marginalisieren, etwa durch gezielte Abwerbung von Personal. Wie anderen Kleinparteien fehlte ihr natürlich das Geld, ebenso wie eine moderne Öffentlichkeitsarbeit.

Daß der AfD ein ähnliches Schicksal bislang erspart blieb, liegt auch an der günstigeren Ausgangsposition. Hier gibt es prominente, rhetorisch begabte Persönlichkeiten, die eine „integrierende“ Rolle wahrnehmen und Wahlkämpfe professionell organisieren. Es herrschten aber auch bessere Rahmenbedingungen vor: Die Union ist nach 13 Jahren Merkel weitgehend sozialdemokratisiert, mit der Eurokrise gab und gibt es ein zündendes Thema. Soziale Netzwerke, vor allem Facebook, sorgten für eine „Eigendynamik“, die – wenn auch in abgeschwächter Form – bis heute andauert.

Im historischen Rückblick hat sich jedoch nicht nur die AfD, sondern auch die DSU Verdienste erworben. Hätte sie damals nicht als „Druckmacher“ fungiert, wäre es wohl nicht so schnell zur Wiedervereinigung gekommen. aber kein Grund zur Sorge: „Ich werde mich nicht ändern.“

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