© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

Still ruht der See
AfD: Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen bemüht sich die Parteiführung im Streit über die Führungsstruktur um Mäßigung
Marcus Schmidt

Wie sehr der politische Gegner derzeit darauf wartet, daß die AfD politisch ins Stolpern gerät, macht der Auftakt der Partei für den Bürgerschaftswahlkampf in Hamburg deutlich. Dabei unterlief AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse am vergangenen Sonnabend ein Mißgeschick. Mit Blick auf die Anschläge in Paris sagte Kruse, „leider ist es viel früher passiert, als ich gehofft habe“. Ein Versprecher, wie auch ein mittlerweile im Internet kursierendes Video belegt. Statt „gehofft“, hatte Kruse „erwartet“ sagen wollen. Für die Medien und den politische Gegner war der Versprecher dennoch eine Steilvorlage. „AfD-Wahlkämpfer verhöhnt Pariser Terror-Opfer“, titelte der Stern in seiner Online-Ausgabe.

Nicht viel freundlicher waren die Reaktionen auf das Treffen der sächsischen AfD-Fraktion mit den Organisatoren der Pegida-Demonstrationen in der vergangenen Woche in Dresden. Dabei war das öffentliche Interesse groß. Der Saal der Landespressekonferenz war bis auf den letzten Platz besetzt, als AfD-Sprecherin Frauke Petry ihren Bericht präsentierte. „So voll war es zuletzt beim Rücktritt von Ministerpräsident Kurt Biedenkopf“, staunte ein altgedienter Dresden-Korrespondent.

Das Ergebnis des Gespräches: Zwischen der AfD und der Pegida-Bewegung gibt es nach Ansicht von Fraktionschefin Petry vor allem in der Zuwanderungspolitik inhaltliche Gemeinsamkeiten. Eine Zusammenarbeit zwischen ihrer Partei und Pegida schloß sie jedoch aus – was Spiegel Online indes nicht davon abhielt, in einer ersten Meldung das Gegenteil zu behaupten.

Auffallend ruhig blieb es unterdessen in der vergangenen Woche im Streit um die künftige Führungsstruktur der Partei. Während noch zwischen Weihnachten und Silvester die AfD mit diesem Thema die innenpolitische Bühne fast im Alleingang bespielt hatte, hielten sich in den vergangenen Tagen alle Akteure mit öffentlichen Äußerungen auffallend zurück. Hinter den Kulissen wird indes weiter fieberhaft an einer möglichen Kompromißlösung gearbeitet, die für beide Seiten möglichst gesichtswahrend ist und der AfD auf dem Parteitag in zwei Wochen in Bremen eine Zerreißprobe erspart. Am vergangenen Sonntag trafen sich nach Informationen der JUNGEN FREIHEIT die Kontrahenten zu einem Krisengespräch in Berlin. Auf dieses hatten sich, nach dem Streit um die von Parteichef Bernd Lucke einberufene Funktionärstagung in Frankfurt am Main (JF 3/15), Lucke und seine Hauptkritiker im Satzungsstreit, AfD-Sprecher Konrad Adam, Petry und Parteivize Alexander Gauland, geeinigt. Ein belastbares Ergebnis wurde am Sonntag aber offenbar noch nicht erzielt. In der Partei wurde mit Blick auf einen möglichen Kompromiß vielmehr von einem „schwachen Pflänzchen“ gesprochen. Dennoch machte sich vorsichtiger Optimismus breit. Eine Lösung des Streits noch vor dem Parteitag scheint zumindest wieder möglich.

Mitglieder-Ansturm auf Parteitag

Doch es gibt mittlerweile auch Stimmen in der AfD, die nichts davon halten, eine Entscheidung über die Führungsstruktur der Partei nur um des Friedens willen beispielsweise um zwei Jahre zu verschieben, vielleicht sogar auf einen Parteitag nach der Bundestagswahl. „Ist erst einmal eine Entscheidung herbeigeführt, weiß jeder woran er ist, und es kann endlich weitergehen“, sagte ein AfD-Funktionär.

Gerätselt wird derzeit darüber, welche Auswirkung der sich abzeichnende Ansturm der Mitglieder auf den Bremer Parteitag hat. Bis Anfang der Woche hatten sich laut Partei 3.120 der 22.298 AfD-Mitglieder angemeldet. Deutlich mehr als von den Organisatoren um Bundesgeschäftsführer Georg Pazderski erwartet – und viel mehr als der im Maritim-Hotel angemietete Raum hergibt.

Was aber bedeutet dieser Ansturm für den Führungsstreit? In der vergangenen Woche mehrten sich die Stimmen, die Luckes Vorschlag für eine Satzungsreform und die Ablösung der bisherigen Dreierspitze unterstützten. Auf mehreren AfD-Veranstaltungen, etwa beim Bundeskongreß der Jungen Alternative (siehe den Artikel auf dieser Seite) oder bei einem Auftritt von Parteivize Hans Olaf Henkel in Berlin, stieß die Forderung auf große Zustimmung. Möglicherweise deutet vor diesem Hintergrund die sich abzeichnende hohe Teilnehmerzahl darauf hin, daß sich die innerparteiliche Waage in der Satzungsfrage langsam zugunsten Luckes neigt. Aber selbst wenn dem so wäre: Von der notwendigen Zweidrittelmehrheit scheint Lucke dennoch weit entfernt.

Hitzig dürfte der Parteitag auch ohne direktes Zutun der AfD werden. Gewerkschaften, SPD, Linkspartei und Linksextremisten haben Proteste gegen die Veranstaltung angekündigt. In einem Aufruf des „Bündnis gegen Rassismus und Rechtspopulismus“ heißt es: „Wir wollen in Hör- und Sichtweite mit einer breiten und vielfältigen Demonstration ein Zeichen setzen: Gegen Rassismus und Rechtspopulismus – für Solidarität und soziale Gerechtigkeit!“

Dabei schreckt das Gewerkschaftsbündnis auch nicht vor der Zusammenarbeit mit vom Verfassungsschutz beobachteten linksextremen Gruppierungen zurück. So kooperiert Verdi für die Anti-AfD-Kundgebung auch mit dem „Bündnis gegen Nationalismus“, zu dem auch die „Basisgruppe Antifa“ gehört. Diese strebt nach eigenen Angaben die Überwindung des demokratischen Systems und die Einführung des Kommunismus an.

Foto: AfD-Sprecherin Frauke Petry in der Dresdner Landespressekonferenz: Suche nach einer Lösung

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