© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  04/15 / 16. Januar 2015

Wir sind Europa
In der Auseinandersetzung mit dem Islamismus geht es nicht nur um Freiheit, sondern um Souveränität
Michael Paulwitz

Es gibt Ereignisse, nach denen es im Grunde kein Zurück zur bisherigen Tagesordnung mehr geben darf. Der 7. Januar 2015, der Tag des kaltblütigen Angriffs bewaffneter Islamisten auf die Redaktion einer satirischen Zeitung im Herzen der französischen Hauptstadt, dem eine mörderische Geiselnahme in einem jüdischen Supermarkt folgte, markiert so eine Zäsur. Mit dem 11. September der Amerikaner verbindet die Pariser Terror-Tage die verbissene Weigerung der politisch Verantwortlichen und der ihnen loyalen Massenmedien, auf den Grund der Ursachen zu blicken und daraus die logischen Konsequenzen zu ziehen.

Hält man sich an die bis jetzt bekannten Fakten, führt kein Weg an der Feststellung vorbei: Wir befinden uns in einem Krieg der Kulturen zwischen den demokratischen Nationalstaaten Europas und einem totalitären Islam. Dieser Konflikt wird – statt sich durch Wegsehen und Leugnen von selbst in Wohlgefallen aufzulösen – jetzt auch mit terroristischen und paramilitärischen Mitteln auf europäischem Boden vorangetragen. Der Konflikt, der dem Terror zugrunde liegt, ist importiert; die Terroristen sind hausgemacht, in Europa aufgewachsen und radikalisiert.

Die Mörder von Paris sind nicht vom Himmel gefallen, ebensowenig wie die Bombenleger, die die Attentate auf Züge in Madrid und London verübt haben, die Fanatiker, die in Frankreich und England Soldaten ermordet haben, den niederländischen Regisseur Theo van Gogh auf offener Straße erstochen haben und in Dänemark dem Karikaturisten Kurt Westergaard nach dem Leben trachten.

Sie sind ein Produkt der Parallelgesellschaften, die durch massive, gewollte oder mit achselzuckendem Laissez-faire hingenommene Einwanderung aus moslemischen Ländern entstanden sind, in denen relevante Bevölkerungsteile das Land, das sie aufgenommen hat, und seine Kultur, Werte und Menschen verachten, auch wenn sie ihr Geld gerne nehmen und zu einem nicht geringen Prozentsatz zur Gewaltanwendung gegen Andersgläubige bereit sind.

Die Ideologien und Konflikte, die der islamistische Terror brutal und militant austrägt, sind dabei ebenso wie die Einwanderungsströme selbst zu einem nicht geringen Teil eine Folge kurzsichtiger und selbstgerechter Interventionen westlicher Länder in der islamischen Welt. Der islamistische Terror, der sich in Paris mit neuen, erschütternden Bildern eingebrannt hat, ist kurz gesagt Produkt und Symptom einer von den eigenen Eliten mutwillig herbeigeführten fortschreitenden Islamisierung – oder, weiter gefaßt, Enteuropäisierung – Europas.

Darüber zu sprechen, ist keine „Instrumentalisierung“ und kein „Mißbrauch“ der Opfer, sondern Teil der notwendigen und rationalen Aufarbeitung des Geschehenen. Tatsächlich vollzieht sich das Gegenteil. Der Vorwurf der Instrumentalisierung wird seinerseits benutzt, um diese Debatte zu ersticken und mit hysterisch sich überschlagenden Verdammungen selbst moderate Versuche, die Islamisierung als das eigentliche Thema anzusprechen, zu verteufeln; und dabei die Pegida-Demonstranten, deren Forderungen in den Unionsparteien vor einer Generation noch als liberal gegolten hätten, als extremistische Unpersonen mit mörderischen Terroristen auf eine Stufe zu stellen.

Das Propagandafeuerwerk, das die politisch-mediale Klasse im Gleichklang abfeuert, trägt Züge der Realitätsflucht und der Schizophrenie: Gegen die Folgen gescheiterter Einwanderungs- und Integrationspolitik soll noch mehr Einwanderung und Verzicht auf Integration helfen. Die Konsequenz aus den blutigen Folgen der Islamisierung soll die noch aufdringlichere Umschmeichelung von Islam-Lobbyisten sein. Mit gesteigerter Drehzahl beschwören Politiker und Medien das Mantra, der Terror habe nichts mit dem Islam zu tun. Wer’s nicht frißt, wird exkommuniziert.

Hinter dem galoppierenden Irrsinn wird allerdings nackte Angst und Panik sichtbar. Die groteske Umdeutung von Einwanderungskritikern zu Stichwortgebern und Brüdern im Geiste von Mördern und Terroristen hätte in ihrer ideologischen Rabulistik auch einem Prawda-Leitartikel oder Sudel-Edes „Schwarzem Kanal“ entstammen können. Sie entspringt dem verzweifelten Versuch, die Diskurshoheit derer zu verteidigen, die ihre Macht darauf gegründet haben, jeden, der ihre Verantwortung für reale Fehler zum Thema macht, mit der Moralkeule zu erledigen.

Die Sprachregelung, das Attentat auf die Charlie-Hebdo-Redaktion sei ein „Angriff auf die Pressefreiheit“, soll ebenso wie die wütende Stigmatisierung der Pegida-Demonstrationen vom Kern der Herausforderung ablenken. Es geht in der Auseinandersetzung mit dem militanten Islamismus nicht um die Grenzen der Meinungsfreiheit, sondern um die Souveränitätsfrage: Wer bestimmt die Regeln? Wie weit lassen sich die europäischen Nationen zwingen, ihre eigenen Regeln außer Kraft zu setzen und die Regeln des politischen Islamismus zu übernehmen, um aus der Landnahme eine Machtergreifung zu machen?

Wer nicht einzelne Moslems einwandern läßt und von ihnen ohne Wenn und Aber die Unterordnung unter die Spielregeln des Aufnahmelandes und seiner Zivilisation fordert, sondern „den Islam“ als Kollektiv einbürgern will, der sprengt die Grundlagen des Gemeinwesens. Die Hoffnung der Zündler, von den Trümmern selbst nicht getroffen zu werden, ist trügerisch – auch das lehrt das Attentat auf die Redaktion von Charlie Hebdo, einer linken, radikalen, bedingungslos immigrationsfreundlichen Zeitschrift. Ob Europa mit der islamistischen Herausforderung fertig wird, ist daher weniger eine Frage der Sicherheitspolitik, sondern eine des eigenen Selbstbehauptungswillens. Wir sind nicht „Charlie“, wir sind Deutsche, Franzosen, Briten – Europäer.

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