© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  03/15 / 09. Januar 2015

Pessimistisch ins Börsenjahr
Börse: Eigentlich stehen die Voraussetzungen gut dafür, daß die Aktienmärkte weiter steigen, aber es gibt Risiken – dazu gehört skurrilerweise der Ölpreisverfall
Ronald Gläser

Für Optimisten sind die beiden bahnbrechenden Wirtschaftsnachrichten dieser Tage nur eine klare Bestätigung dafür, daß es weiter aufwärts gehen wird. Denn sowohl der mögliche Griechenlandausstieg aus dem Euro als auch der Ölpreisverfall sorgen für eine Aufhellung der Weltwirtschaft.

Der Reihe nach: Durch Grexit würden Milliardenzahlungen an griechische Banken entfallen – das ist zunächst einmal eine gute Nachricht für die Steuerzahler aller anderen Länder. Wichtiger noch: Das Land hätte die Chance, zur Ruhe zu kommen, die Drachme abzuwerten und international wieder wettbewerbsfähig zu werden.

Auf der anderen Seite ist der Ölpreisverfall wie ein weltweites Konjunkturprogramm. Ob in China, Indien, den USA oder in Europa: Überall profitieren Verbraucher von sinkenden Spritkosten. Und die Ersparnis zieht sich im Idealfall durch die gesamte Wertschöpfungskette, verbilligt also auch alle anderen Produkte, was die Konsumenten am Ende in die Lage versetzt, mehr zu kaufen.

Aber das ist graue Theorie. Tatsache ist, daß der Dax zum Wochenbeginn einen größeren Einbruch hinnehmen mußte und unter die Marke von 9.500 Punkten sank. Einen Monat zuvor hatte er noch über 10.000 Punkten notiert. Ein Verlust in dieser Größenordnung (fünf Prozent) ist bereits ein Minicrash. Und es gibt Indizien dafür, daß das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist.

Vor allem die Rohstoffbranche warnt vor vorschnellem Jubel über den sinkenden Ölpreis, der zum Wochenbeginn zeitweise auf weniger als 50 Dollar abgesackt ist. Denn: Hier stehen der Weltwirtschaft dramatische Veränderungen bevor, gegen die sich die deutsche Energiewende als Miniproblem heraustellen könnte: Firmen wie Wintershall, Shell und andere kalkulieren mit bestimmten Preisen. Und nicht nur sie.

Fracking wird unrentabel, Staaten gehen bankrott

Ganze Staaten berechnen die Wirtschaftlichkeit ihrer Ölförderung nach dem Marktpreis. Sinkt dieser unter ein bestimmtes Niveau, wird das Geschäft unrentabel. Fracking könnte aus diesem Grund schon in Kürze zum Erliegen kommen. Ein Gasbroker zur JF: „Da könnten beispielsweise bei Wintershall mehrere milliardenschwere Projekte auf der Kippe stehen.“ Dazu kommt der Einnahmeverlust der Ölförderländer, der sich in sinkenden deutschen Exportzahlen auswirken könnte. Durch den hohen Ölpreis der Vergangenheit hat sich zudem eine Blase aufgebaut wie 2007 auf den Immobilienmärkten, die jetzt zu platzen droht – mit den entsprechenden Folgen.

Auch im Fall der in greifbare Nähe gerückten Griechenlandpleite könnten negative Auswirkungen überwiegen. Wenn Banken, etwa französische und schweizerische, in Mitleidenschaft gezogen werden, so würden die Regierungen im Rest von Euroland gleich wieder neue Rettungspakete auflegen, die die Niedrigzinsphase verlängern und die Stimmung eintrüben. Es gibt einen weiteren Punkt, von dem eine große Gefahr für die Märkte ausgeht: der Ukraine-Konflikt. Der Börsenprofessor Max Otte warnte im Interview mit der Wirtschaftswoche vor dem Endspielcharakter der Gelddruckpolitik in den westlichen Wohlfahrtsstaaten einerseits und dem westlichen Druck auf Rußland andererseits. „Das Risiko kriegerischer Auseinandersetzungen ist so hoch wie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr – vielleicht abgesehen von der Kuba-Krise“, so Otte. Er rechnet langfristig mit einer Neuordnung des Währungssystems. Auch der Fondsmanager Stefan Riße sieht die Gefahren. Im Handelsblatt prognostizierte er am Dienstag weiter fallende Kurse. „Ich teile nicht den Optimismus“, sagte er mit Blick auf den Aktienmarkt.

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