© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/15 / 02. Januar 2015

Das Paradies am Elbrus sieht Alarmstufe Rot
Ökoregion Kaukasus: Rodungen, Überweidung, Verschmutzung, Erosion und Kriegsverwüstungen setzen dem Welterbe zu
Christoph Keller

In unschönem Neudeutsch charakterisiert, ist die 580.000 Quadratkilometer große „Kaukasus-Ökoregion“ ein „Hotspot biologischer Vielfalt“. Will man den Reichtum dieser Region, die so groß ist wie die Bundesrepublik, die Tschechei, die Schweiz und Österreich zusammen, anschaulicher beschreiben, ist auf 6.300 Arten von Gefäßpflanzen, 800 Wirbeltierarten, darunter 152 Säugetiere und 389 Vögel, stattliche 8.000 Käferarten und 2.000 Schmetterlinge zu verweisen. Dort, wo der Mythos das Paradies in die Nachbarschaft verlegt und wo die Arche Noah gestrandet sein soll, wo Felsenbilder nahe Baku eine 40.000 Jahre zurückreichende Siedlungsgeschichte bezeugen, kommen bis heute zahlreiche Relikte arktotertiärer Laubwaldflora vor. Der Kaukasus bildet auch ein bedeutendes Genzentrum für Wildsippen und alte Sorten von Weizen, Gerste, Wein und Obstgehölzen.

Die Deutschen schützen, beraten und fördern

Wie aus Hans D. Knapps (Internationale Naturschutzakademie Vilm) Skizze über diesen einzigartigen Natur- und Kulturraum zu erfahren ist (Natur und Landschaft, 11/2014), täuscht, wie überall zwischen Borneo und dem Amazonasbecken, der Katarakt imponierender biologischer Daten nicht über den Grad der bereits erfolgten und der drohenden Zerstörung hinweg. In der von Knapp zitierten Studie, die 120 Umweltexperten aus den sechs Ländern der Region mit deutscher Hilfe erstellt haben, fehlt nichts, was zur Ausrufung der Alarmstufe Rot benötigt wird: „Illegaler Holzeinschlag, verstärkte Brennholznutzung und Holzhandel, Überweidung, Wilderei und illegaler Wildtierhandel, Überfischung, Wasserverschmutzung, Erosion und Degradation“. Zudem hätten kriegerische Auseinandersetzungen in dieser notorischen Unruheregion Ressourcen verschlungen und Kulturlandschaften verwüstet.

Die Deutschen, schon im 18. Jahrhundert als Forscher und Naturschützer im Kaukasus besonders aktiv, geben sich seit 1991 in Georgien, Armenien und Aserbaidschan alle erdenkliche Mühe, mit Geld, Beratung, Förderung von Umweltbildung und bilateralen Schutzprojekten gegenzusteuern. Entzünden sich hier an Rußlands Südgrenze keine neuen Konflikte, könnte sich das Engagement lohnen und der Kaukasus als ökologisches Welterbe erhalten bleiben.

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