© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  02/15 / 02. Januar 2015

Wehe, wenn die Tabus fallen
Pegida II: Auch eine Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung zum politischen Meinungskampf kommt um die Demonstrationen nicht herum
Lion Edler

Über fehlende Aufmerksamkeit kann sich die Pegida-Bewegung derzeit nicht beklagen. Auch bei einem Symposium der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) im Dezember stand das islamkritische Bündnis immer wieder im Mittelpunkt, obwohl es nicht auf der Tagesordnung stand: Die meisten Redner der Veranstaltung zum Thema „Grenzen im politischen Meinungskampf – Zum Umgang mit rassistischen Vorurteilen und Diskriminierungsideologien“ ließen keinen Zweifel, daß sie die „rassistischen Vorurteile“ auch den Pegida-Demonstranten unterstellen.

Den Reigen der Anti-Pegida-Empörung eröffnete Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD). „Ich habe für diese Demonstrationen kein Verständnis“, sagte Maas – und meinte damit ausdrücklich nicht nur die umstrittenen Organisatoren, sondern auch die Demonstranten. Die Demonstranten in Dresden hätten „gegen Flüchtlinge und Muslime und für was auch immer“ demonstriert. „Wie armselig und peinlich ist das denn?“ fragte Maas. Mit Blick auf „den alltäglichen Rassismus und auch obskure Gruppen wie Pegida“ mahnte Maas die „demokratischen Kräfte“, eine Trennlinie zu ziehen „zu denen, die rassistische Vorurteile auch verdeckt propagieren“.

Warnung vor Selbstbeweihräucherung

Zum allgemeinen Umgang Deutschlands mit der Meinungsfreiheit betonte Maas, eine „gutgemeinte Unterdrückung abweichender Meinungen“ könne „keine Option sein“. Aufgrund des Holocausts hätten die Schöpfer des Grundgesetzes jedoch dem Meinungskampf Grenzen gesetzt – etwa durch Parteiverbote, Vereinsverbote und Strafvorschriften. „Deutschland hat eine Geschichte von trauriger Einzigartigkeit“, meinte der Justizminister.

Vergleichsweise vorsichtig äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Zwar sei eine Islamisierung Deutschlands nicht zu befürchten, meinte der Minister mit Blick auf Pegida. Gleichzeitig warb de Maizière jedoch um Verständnis für Teile der Pegida-Demonstranten. Man müsse als Demokrat um diejenigen werben, „die Extremisten hinterherlaufen, solange sie noch nicht verloren sind“.

Auf einer Podiumsdiskussion berichtete der Bürgermeister des Berliner Bezirks Marzahn-Hellersdorf, Stefan Komoß (SPD), von seinen kommunalen Erfahrungen mit der Asylproblematik. Komoß sah ein „quantitatives und qualitatives Problem“. Das quantitative Problem bestehe darin, daß „viel mehr Menschen als vor einem Jahr“ sich dazu bewegen ließen, gegen Asylbewerberheime zu protestieren. Gleichzeitig seien Tabus gefallen. Diese Tabus seien jedoch „extrem wichtig“, denn: „Wenn Tabus fallen, haben Sie plötzlich 15.000 Menschen in Dresden auf der Straße.“ Indessen seien Rechtsextreme „intelligenter geworden“, meinte Komoß. So werde auf Demonstrationen nicht etwa die strafbare Parole „Wir wollen keine Asylantenschweine“ gerufen, sondern „Wir wollen keine Asylantenheime“. Mit solchen Formulierungen entgehe man einer Strafverfolgung, doch das dahinterstehende Gedankengut sei „genau das gleiche“.

Die Politikwissenschaftlerin Karin Priester schaffte es als einzige, ein wenig Kontroverse in die Veranstaltung zu bringen. Das Problem bei Pegida heiße nicht Rechtsextremismus und auch „nicht generell“ Ausländerfeindlichkeit. Vielmehr hätten die Pegida-Demonstranten ein Problem mit dem radikalen Islamismus, etwa mit dem „Islamischen Staat“. Darauf wollte Priester hinweisen, „weil hier sonst so eine Art Political Correctness entsteht, wo wir uns eigentlich selbst beweihräuchern“. So müsse auch beachtet werden, daß es nicht nur Diskriminierung durch „Autochthone“ gebe; in Frankreich habe man es beispielsweise mit einem mehrheitlich muslimischen Antisemitismus zu tun.

Zuhörerin schimpft über „unglaubliche Arroganz“

Die Vertreterin der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus“, Bianca Klose, zeigte sich über diese Ausführungen „so ein bißchen irritiert“. Es gehe nicht darum, die Pegida-Demonstranten pauschal als Nazis zu bezeichnen, „das macht doch auch kein Mensch“, behauptete sie.

Am Ende der Veranstaltung kam dann noch einmal etwas Leben in die Bude, als das Publikum zu Wort kam. Eine Zuhörerin schimpfte denn auch gleich wütend über die „unglaubliche Arroganz“ der Veranstaltung. Es habe jahrelang niemanden interessiert, daß es Berliner Schulen mit einem Ausländeranteil von 50 Prozent gebe. Vielleicht müsse man sich mal mit den Problemen der Bürger beschäftigen, mahnte die Frau. Dafür war bei der Veranstaltung der Bundeszentrale für politische Bildung jedoch kein Raum mehr. Wenn mehr Zeit zur Verfügung stehen würde, könnte noch „über alle möglichen Aspekte“ gesprochen werden, sagte der Moderator der Veranstaltung, Jörg Thadeusz. Doch nicht mehr an diesem Abend: Auf die Anmerkungen der Zuhörerin ging niemand mehr ein. aber kein Grund zur Sorge: „Ich werde mich nicht ändern.“

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