© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

Dem Volkszorn ein Opfer gebracht
Vor 25 Jahren erschossen rumänische Fallschirmjäger den „Conducator“: Zum Leben und Sterben von Nicolae Ceausescu
Jürgen W. Schmidt

Der zu Lebzeiten als „Genie der Karpaten“ oder „Honig der Welt“ vergötterte Nicolae Ceausescu kam am 26. Januar 1918 als drittes Kind eines trunksüchtigen, walachischen Bauern zur Welt. Ab dem 11. Lebensjahr erlernte Nicolae den Schuhmacherberuf und weil sein Lehrherr ein Kommunist war, stieß auch er zur kleinen, vor 1945 nie mehr als 1.000 Mitglieder zählenden Kommunistischen Partei Rumäniens.

Im Gefängnis, wo er für zwei Jahre wegen kommunistischer Agitation inhaftiert war, lernte der 18jährige Ceausescu den kommunistischen Gewerkschaftsfunktionär Gheorghe Gheorghiu-Dej kennen. Wie viele Gerüchte besagen, hatten beide damals ein homosexuelles Verhältnis, was erklären könnte, daß der spätere stalinistische Diktator Gheorghiu-Dej, welcher Rumänien bis 1965 beherrschte, den immer noch sehr jungen, ebenso unerfahrenen wie ungebildeten Ceausescu nach 1945 protegierte und in hohe Stellungen hievte.

Nacheinander führte Ceausescu die kommunistische Staatsjugend als deren 2. Vorsitzender, wurde Generalleutnant und Politchef der rumänischen Volksarmee und stieg schließlich ab 1954 zum ZK-Sekretär, zum Vollmitglied im Politbüro der rumänischen KP und schließlich zum „Kronprinzen“ von Gheorghiu-Dej auf. Nach dessen Krebstod 1965 bootete Ceausescu gerissen alle parteiinternen Konkurrenten aus und wurde neuer rumänischer Partei- und Staatschef.

Nach dem harten Altstalinisten Gheorghiu-Dej empfanden viele Rumänen den Machtantritt des unverbrauchten Ceausescu anfangs als Erlösung, zumal sich ziemlich schnell der Lebensstandard etwas anhob und der Wohnungsbau angekurbelt wurde. Im Westen sah man hingegen in Nicolae Ceausescu nach dessen Weigerung, im Jahr 1968 Truppen zur Niederwerfung des Prager Frühlings zu entsenden, beinahe eine Lichtgestalt. Nicht nur bundesdeutsche Politiker, sogar amerikanische Präsidenten hofierten den sich nunmehr offiziell als „Conducator“ (Führer) betitelnden Rumänen und gestanden ihm die wirtschaftlich wichtige „Meistbegünstigungsklausel“ zu.

Größenwahnsinnigen Personenkult entwickelt

Wahrscheinlich meinte man so, sich in der Person von Ceausescu einen „de Gaulle des Warschauer Pakts“ heranzuzüchten. Natürlich spielte der bauernschlaue Ceausescu nun abwechselnd die sowjetische und die amerikanische Karte aus, um Vorteile für sich herauszuschlagen. Der neidische bulgarische Parteichef Todor Schiwkow rasselte deshalb hart mit dem „Conducator“ zusammen, so daß Breschnew zwischen beiden schlichten mußte, obwohl er selbst insgeheim Ceausescu für einen „Gauner“ hielt.

Etwa ab 1971 begann sich beim „Conducator“ zunehmend paranoider Größenwahn zu zeigen, und in Rumänien entwickelte sich ein Personenkult um ihn und seinen Familienclan, den man eigentlich nur noch mit dem in Nordkorea vergleichen konnte. Dabei stand Ceausescu seine habsüchtige und intrigante Ehefrau Elena fest zur Seite. Die Frau hatte zwar nur drei Klassen in der Dorfschule absolviert, wurde aber stets als „Dr.-Ing.“ und „Gelehrte von Weltrang“ bezeichnet und stieg schließlich zur „Nummer 2“ in der rumänischen Politik nach ihrem zuckerkranken Mann auf, den sie nach seinem dereinstigen Tod in seinen Ämtern zu beerben gedachte.

Deshalb wurden Mitglieder des Ceausescu-Clans in allen Machtzentren von Securitate und Armee bis zum ZK und Politbüro verankert, um die Erbfolge der Dynastie in der Staatsführung zu garantieren. Nicolae Ceausescu, dessen Hobbys die Jagd – besonders auf Bären – und das Billardspiel waren, steigerte sich in den achtziger Jahren in völlig überdimensionierte, phantastische Projekte hinein. In Bukarest entstand ein riesiger, bei seinem Tod 1989 immer noch nicht fertiggestellter „Palast des Volkes“ mit über 7.000 Zimmern, darunter mehrere fußballfeldgroße Prunksäle.

Bis zum Jahr 2000 plante Ceausescu zudem, die Hälfte der 13.000 rumänischen Dörfer einzuebnen und deren Bewohner als Fabrikarbeiter in Produktionssiedlungen unterzubringen. Als man schließlich 1989 in der Banater Großstadt Temeschburg (Timișoara) die ohnehin stets geknechtete ungarische Minderheit staatlicherseits heftig bedrängte und am 22. Dezember 1989 eine Demonstration zusammenschoß (72 Tote und 253 Verletzte), war das Maß voll.

Der Umsturz in Rumänien war keine echte Revolution

Die Demonstrationen griffen blitzschnell auf andere Städte und die Hauptstadt Bukarest über. Als Ceausescu hier beim Versuch scheiterte, die Demonstranten durch eine öffentliche Ansprache zu besänftigen, entschloß er sich zur Flucht. Doch nun putschten Teile der Armee und setzten ihn gefangen. Während im ganzen Land bis Januar 1990 ein Bürgerkrieg tobte, die Securitate mit der Armee kämpfte und sich allerorten Bürgerwehren gegen die vielen Heckenschützen formierten, tagte am 25. Dezember 1989 in Targoviste ein Militärgericht.

Die Eheleute Ceausescu wurden nach einstündiger Verhandlung zum Tode verurteilt und anschließend um 14.45 Uhr erschossen. Fassungslos sagte Elena Ceausescu wenige Sekunden vor dem Tod zu ihrem Mann: „Nicule, man ermordet uns? In unserem Rumänien?“ Allerdings war der Umsturz in Rumänien keine echte Revolution. Man hatte nur dem Volkszorn ein Opfer gebracht, um die Macht der alten Eliten zu retten. Als nunmehrige „Sozialdemokraten“ bahnten rumänische Ex-Kommunisten dem Land erfolgreich den Weg in EU und Nato. Aber noch immer ist das bettelarme Rumänien einer der korruptesten europäischen Staaten, und der niedrige Lebensstandard bewegt viele Rumänen zur Auswanderung nach Mittel- und Südeuropa.

Foto: Elena und Nicolae Ceausescu kurz vor ihrer Hinrichtung am 25. Dezember 1989: Das Maß war voll

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