© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

„Die lakaienhafte deutsche Art“
Kunst in der Provinz: Eine Werkschau des Malers Hermann Hendrich im thüringischen Heringen
Heiko Urbanzyk

Wir haben der Öffentlichkeit hier keine Kosten verursacht!“ Mit diesen Worten eröffnete Ende Oktober Klaus Moser die Ausstellung „Märchen Mythen Maler“ auf Schloß Heringen. Ihr Anlaß ist der 160. Geburtstag des Malers Hermann Hendrich. Moser, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Schloß Heringen, weiß, daß Kultur in der Provinz vor allem eines nicht darf: teuer sein!

Irgendwo im Nirgendwo Thüringens, nahe Nordhausen liegt das Städtchen Heringen an der Helme. Die Einwohnerzahl sinkt seit Jahren beständig auf nunmehr unter 5.000 Einwohner. Nennenswerte Wirtschaftsfaktoren gibt es nicht. Beschauliche Fachwerkhäuser und das restaurierte Schloß laden zum Besuch ein; mehr leider nicht. Hier wurde Hermann Hendrich am 31. Oktober 1854 geboren und als größter Sohn der Stadt über Jahrzehnte genauso stiefmütterlich behandelt wie im restlichen Nachkriegsdeutschland. Noch im vorigen Jahr beschwerte sich der Leihgeber eines Hendrich-Gemäldes mit einem offenen Brief bei der Gemeinde, daß sein Bild in einem Abstellraum des Schlosses aufbewahrt werde. Nun findet passenderweise gerade hier zum erstenmal seit Jahrzehnten eine große Hendrich-Ausstellung statt.

Den Anstoß dazu gab der Förderverein des Malers Hermann Hendrich e.V. aus Westfalen. Der Verein klärte die Stadt darüber auf, welches kulturelle Erbe hier verschüttet liegt. Bürgermeister Maik Schröter habe sich nie mit Hendrich beschäftigt. Er wurde erst durch die engagierte Lokalhistorikerin Heidelore Kneffel eingeführt. Heute wünscht er sich eines dieser braun-weißen Autobahnschilder, die auf Sehenswürdigkeiten hinweisen: „Hermann Hendrich wurde hier geboren – Schöpfer der Walpurgishalle, Sagenhalle, Nibelungenhalle.“ Aber das kostet!

Hendrich hätte all das nicht überrascht, weilte er noch heute unter seinen Deutschen. Schon zu Lebzeiten klagte er über die Kuratoren einer internationalen Berliner Ausstellung: „… dabei wurden in der lakaienhaften deutschen Art den Fremden die größten und schönsten Säle eingeräumt, so daß für die heimischen Künstler kein Platz mehr da war.“ Nur die Mitglieder der Kommission und ihre Freunde hätten Aufnahme gefunden. Die Erfahrung stammt zwar aus Hendrichs schmalen Anfangsjahren, bevor er im gesamten Reich, bis hin zum preußischen Kaiserhofe seinen tadellosen Ruf erlangte. Doch betont er die „lakaienhafte deutsche Art“ und Vetternwirtschaft noch auf dem Höhepunkt seiner Karriere.

Den Sagen des Harzes, den Göttern der germanischen Mythologie und den deutschen Märchen wollte er bildlich zur Geltung verhelfen, für sie die Liebe der Deutschen erwecken, wie er stets betonte. Auf einer Ebene damit standen für ihn die Werke Goethes und Wagners, die er ebenso auf Leinwand brachte. Oder gleich in monumentalen Hallen ein Denkmal setzte, wie der Nibelungenhalle in Königswinter. Hier ziert bis heute in Keilschrift die Mahnung „Ehrt Eure deutschen Meister!“ einen Gedenkstein für Richard Wagner.

Von 1890 bis zu seinem Tode 1931 entwickelte sich Hendrich zum Star der konservativen bis völkischen Kunstszene. Seine Ausstellung 1910 in Weimar zählte täglich 300 Besucher. Zwanzig Jahre zuvor malte er bereits im Auftrag von Kaiser Wilhelm II. Noch 1930 kommentiert Seine Majestät aus dem niederländischen Exil das Spätwerk „Gefesseltes Deutschland“ äußerst wohlwollend und sendet Hendrich zum Dank ein Exemplar seiner Biographie „Aus meinem Leben“.

„Gefesseltes Deutschland“ zeigt einen an eine Bergwand gefesselten schlafenden Riesen, der seiner Befreiung harrt; ein Gedanke, der in der Weimarer Republik von Kommunisten bis Nationalisten alle politischen Lager einte. Nach seinem Tod richtete die Stadt Bayreuth einen Hermann-Hendrich-Gedächtnissaal ein, der immerhin Teil der Richard-Wagner-Gedächtnisstätte war.

Auf Schloß Heringen sind noch bis Ende März auf zwei Etagen knapp sechzig Gemälde zu sehen, die aus ganz Deutschland von Leihgebern zusammengetragen wurden. Klaus Moser vom Schloß Heringen hofft, daß die Heringer mit Hendrichs Bildern „nicht im eigenen Saft schmoren“ werden. Wer als Kunstfreund zwischen Eisenach und Nordhausen durch die Provinz reist, sollte Heringen nicht links liegenlassen.

Die Ausstellung ist bis zum 31. März 2015 im Schloßmuseum Heringen täglich außer montags von 9 bis 14 Uhr, Sa./So. 14 bis 17 Uhr, zu sehen.

www.stadt-heringen.de

www.nibelungen-hort.de

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