© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  52/14 - 01/15 / 19. Dezember 2014

„Die Politik kann das nicht aussitzen“
Dresden: Der Politikwissenschaftler Werner Patzelt über das Phänomen Pegida
Felix Krautkrämer

Herr ProfessorPatzelt, wer demonstriert da Montag für Montag in Dresden?

Patzelt: Wir haben keine belastbaren sozialwissenschaftlichen Untersuchungen. Aber wir konnten beobachten, daß unter den Demonstranten von jungen Erwachsenen bis Rentnern jede Altersschicht vertreten war. Sie scheinen über eine grundständige bis mittlere Bildung zu verfügen und sind wohl mehrheitlich erwerbstätig. Parteipolitisch dürfte es sich um mögliche Wähler von CDU, AfD, Wähler am rechten Rand, Protestwähler sowie Nichtwähler handeln.

Also kein rechtsradikales Spektrum?

Patzelt: Auf den Pegida-Veranstaltungen wurden, soweit ich sehe, von den Rednern keine Forderungen vorgebracht, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung widersprechen. Auch in den 19 Positionen von Pegida kann ich nichts erkennen, was sich nicht mit freiheitlicher Demokratie vereinbaren ließe.

Führende Politiker haben die Demonstranten aber als „Nazis in Nadelstreifen“, „Mischpoke“, „Rattenfänger“ oder „Brunnenvergifter“ bezeichnet.

Patzelt: Das halte ich für falsche Lagebeurteilungen. Jedenfalls decken sie sich nicht mit meinen eigenen Beobachtungen. Eine Ursache davon, neben oberflächlichem Hinsehen: Wann immer in Deutschland etwas von der politischen Mitte abweicht, und zwar nicht nach links, dann entsteht Sorge, es könnte sich um etwas Rechtsradikales handeln. Anscheinend hat sich als allgemeine Ansicht verbreitet: links ist in Ordnung, mittig ist in Ordnung, doch rechts ist sündhaft.

Wie sollte die Politik auf Pegida reagieren?

Patzelt: Der falsche Ansatz wäre, die Demonstranten als Rechtsradikale abzutun und die Sache aussitzen zu wollen. Vielmehr muß man die Anliegen derer, die auf die Straße gehen oder mit Pegida sympathisieren, begreifen und ernstnehmen. Anschließend braucht es öffentliche Diskussionen – einesteils in den Gemeinden und Kommunen, wo die Unterbringung von Flüchtlingen ansteht, andernteils bundesweit über unsere Einwanderungs- und Integrationspolitik überhaupt. Zu einer solchen deutschlandweiten Diskussion aber käme es unweigerlich, wenn auf Bundesebene ein Einwanderungs- und Integrationsgesetz ausgearbeitet würde. Und am Ende eines solchen Gesetzgebungsverfahrens dürfte ein akzeptabler Kompromiß stehen, der unserer Einwanderungsgesellschaft guttut, also Erscheinungen wie Pegida überflüssig macht. Felix Krautkärmer

 

Prof. Dr. Werner Patzelt lehrt Politikwissenschaft an der TU Dresden

 

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