© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Wer spekuliert beim Öl gegen wen?
Rohstoffe: Der Ölpreis-Verfall lädt zu vielen Erklärungen ein, warum dies gerade jetzt geschieht
Alexander Bagus

Gerüchte beherrschen die globalen Rohstoffmärkte: Die Amerikaner ruinieren den Ölpreis, fürchten die Russen. Ziel der USA sei es, Rußland in den Bankrott zu treiben, wie die UdSSR in den 1980ern. So stellen es Nikolaj Patruschew, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates, und das Russische Institut für Strategische Studien (RISS) dar.

Immerhin: Die Öl- und Gasexport-einnahmen machen circa die Hälfte des Staatshaushalts aus und sind mit 100 Dollar pro Faß Öl kalkuliert. Doch der Ölpreis pendelte zu Wochenbeginn nur noch bei 68 Dollar. Die russischen Staatsausgaben steigen jedoch wegen der Ukraine-Krise und der Wahlversprechen Putins. Nun sorgten die USA gemeinsam mit Saudi-Arabien gezielt dafür, daß der Ölpreis niedrig bleibe, indem mehr produziert wird. Auch der Wertverfall des Rubels gehöre dazu. Dies ist zumindest ein Teil der russischen Binnensicht.

Anderer Auffassung ist Igor Schuwalow, stellvertretender russischer Ministerpräsident. Er beruft sich auf Experten, die hinter der hohen Fördermenge durch die erdölproduzierenden Staaten (OPEC) die Strategie sehen, das mittels Fracking gewonnene US-amerikanische Öl vom Markt zu drängen. Der niedrige Ölpreis also kein Angriff der Amerikaner, sondern ein Angriff auf die Amerikaner? Rußland solle nach Schuwalows Ansicht derzeit die Produktion jedenfalls nicht drosseln.

Angriff der USA oder Angriff auf die USA

In den letzten Jahren sind die Vereinigten Staaten aufgrund des Frackings zum Ölexporteur aufgestiegen. Sie gehören so mit Rußland und Saudi-Arabien zu den drei größten Erdölproduzenten. Doch ob der jetzige Preisverfall den USA wirklich so schadet, ist fraglich. Laut Berichten liegen die Produktionskosten für ein Faß Öl aus North Dakota, dem US-Bundesstaat, in dem das meiste Öl gefördert wird, bei 38,50 Dollar. Selbst bei einem Ölpreis von 42 Dollar betrage der Gewinn für die Unternehmen gut zehn Prozent und sei damit attraktiv.

Laut dem Experten Tim Mullaney verspekuliere sich Saudi-Arabien, das fälschlicherweise annehme, die Produktionspreise seien höher. Tatsächlich haben diese aber das Potential, noch deutlich unter die 38,50 Dollar zu fallen.

Auf reason.com betrachtet Ronald Bailey die derzeitige Entwicklung als einen weiteren Wirtschaftszyklus. „In diesem führen niedrige Preise zu niedrigen Investitionen in Erkundung, Produktion und Technologie, was dann wiederum in höhere Preise und verstärkte Investitionen in Technologie mündet. In der Folge gibt es dann wieder höhere Produktion und niedrigere Preise und so weiter.“ Für die Zwischenzeit empfiehlt er, „sich über den billigen Sprit zu freuen und die fiskalischen Schmerzen der weltweiten bösen Buben zu genießen“.

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