© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Rückkehr mit Hindernissen
Frankreich: Nach seiner Wahl zum Vorsitzenden der bürgerlichen UMP muß Nicolas Sarkozy eine Vielzahl parteiinterner Probleme lösen
Eva Maria Michels

Nach einem halben Jahr ohne klare Führung hat die bürgerliche UMP wieder einen Vorsitzenden: Nicolas Sarkozy konnte sich mit 64,5 Prozent der Stimmen gegen seine Herausforderer Bruno Le Maire (29,2) und Hervé Mariton (6,3 Prozent) durchsetzen. Mariton hatte sich schon vor Beginn der Wahl bei der Wahlkommission darüber beschwert, daß mehrere hundert Mitglieder der Gruppierung „Sens Commun“ – hervorgegangen aus den Massendemonstrationen gegen die Homoehe von der Wahl ausgeschlossen waren. Laut Wahlkommission versagte die hausinterne Technik bei der Übertragung der Mitgliedsdaten. Diese Panne ging eindeutig zu Lasten von Mariton, der als einziger der drei Kandidaten klar für die Abschaffung der Homoehe eintritt.

Für Sarkozy ist das Wahlergebnis eher enttäuschend, denn 2004 bekam er noch satte 84 Prozent. Die meisten politischen Beobachter stimmen jedoch überein, daß ihm das Wahlergebnis erlaubt, in den kommenden Monaten die wichtigsten Probleme der UMP anzupacken – und die sind zahlreich: Der 59jährige muß eine moralisch am Boden liegende Partei wieder aufrichten.

Private Finanzspritze für klamme Parteikasse

Nach seinem Rücktritt vom Posten des Parteivorsitzenden im Zuge des verlorenen Präsidentschaftswahlkampfes im Mai 2012 brach ein Machtkampf um den Parteivorsitz zwischen dem bis dahin amtierenden Ministerpräsidenten François Fillon und Jean-François Copé, dem damaligen Generalsekretär der UMP aus. Copé machte nach UMP-internen Wahlen zwar knapp das Rennen. Es gelang ihm aber nie, Fillons Anschuldigung des Wahlbetrugs auszuräumen. Zwischen beiden Lagern kam es zu einem fragilen Waffenstillstand, der zu Lasten inhaltlicher Parteiarbeit ging. Nach dem schlechten Abschneiden der UMP bei den Europawahlen Ende Mai mußte Copé schließlich die Reißleine ziehen und trat zurück.

Sarkozy kündigte nun an, daß er bis spätestens vor den Regionalwahlen 2015 den Namen der UMP ändern werde, um das ramponierte Image der Partei aufzubessern. Doch dies allein reicht bei weitem nicht aus. Ein neues politisches Programm muß her, doch verweigert sich Sarkozy bis dato radikalen Reformen. Die 35-Stunden-Woche möchte er nicht abschaffen, tritt stattdessen für steuerfreie Überstunden ein. Parallel dazu soll die volkswirtschaftlich ineffiziente Reichensteuer unangetastet bleiben. Fürchtet Sarkozy, daß ein direkter Angriff auf diese beiden Symbole linker Wirtschaftspolitik erhebliche soziale Unruhen zur Folge hätten.

Auch die Finanzmisere setzt die Partei unter Druck. Gegenwärtig belaufen sich die Schulden der UMP auf fast 75 Millionen Euro. Ein Großteil der Schulden betrifft Bankkredite und einen Kredit für den Kauf des Gebäudes, in dem sich der Parteisitz befindet. Hinzu kommen 18 Millionen Euro Schulden aus der sogenannten „Bygmalion-Affäre“.

Um die gesetzliche Obergrenze für Ausgaben im Präsidentschaftswahlkampf 2012 zu umgehen, hatte das UMP-nahe Event-Unternehmen Bygmalion der Partei fiktive Rechnungen in Höhe von 18 Millionen Euro für nie abgehaltene Wahlkampfveranstaltungen ausgestellt – angeblich ohne Sarkozys und Copés Wissen. Frankreichs Verfassungsrat verurteilte die UMP daraufhin zur Zahlung von 363.615 Euro. Diese Summe bezahlte Sarkozy nun nach seiner Wahl aus eigener Tasche – um die Partei von allen Anschuldigungen freizusprechen, wie er präzisierte. Zum Abbau der restlichen Schulden setzt sich Sarkozy das Ziel, 250.000 neue Parteimitglieder zu werben. Dafür will er wöchentlich eine Bürgersprechstunde abhalten.

Sarkozys schwierigstes Problem dürfte der Zusammenhalt der UMP werden. Dabei fällt auf, daß gerade die Basis immer weiter nach rechts drängt und sogar für Allianzen mit dem Front National auf lokaler Ebene offen ist. Als weiteres heißes politisches Thema gilt parteiintern der Umgang mit der Homoehe. Deren Gegner stellen zwar nicht unbedingt die Mehrheit in der UMP, doch sind sie jung, hochmotiviert und bestens organisiert. Ihr Wahlverhalten könnte ausschlaggebend für den Erfolg oder Mißerfolg der UMP bei den kommenden Wahlen sein.

Generalsekretär Wauquiez soll rechte Basis bedienen

Dieses starke Klientel bedienend, kürte Sarkozy Laurent Wauquiez zum neuen Generalsekretär. Äußerst beliebt an der Basis, zählt der 39jährige zum rechten Rand der UMP. Der Bürgermeister der Hauptstadt des Départements Haute-Loire, Le Puy-en-Velay, tat sich mehrfach durch eine energische Law-and-Order-Politik hervor: Eigenhändig half er der Gendarmerie bei der Räumung eines illegalen Roma-Camps, nahm persönlich die Verfolgung jugendlicher Motorrollerfahrer auf, die die Geschwindigkeitsbegrenzung nicht beachtet hatten. Er kämpfte gegen die Installation des Gesetzes zur Homoehe durch die Sozialisten und sucht derzeit nach Varianten es wieder abzuschaffen. Als Gegner der Europäischen Einigung schwärmt er gar von einer Rückkehr zu einem Europa der Sechs. Vor allem aber kämpft Wauquiez unermüdlich für die Belange des Mittelstandes. In seiner sechsjährigen Amtszeit führte er die wirtschaftlich am Boden liegende Kleinstadt zu neuer Blüte. Entsprechend wurde er bei der Kommunalwahl im März bereits im ersten Durchgang mit 69,8 Prozent der Stimmen erneut zum Bürgermeister gewählt.

Doch Sarkozy hin, Wauquiez her. Marine Le Pen und ihr Front National (FN) glauben nicht, daß es Sarkozy noch einmal gelingen wird, wie bei den Präsidentschaftswahl 2007, dem Front Wähler wegzunehmen: „Jeder FN-Wähler ist ein zweimal betrogener UMP-Wähler“, verkündete das nähere Umfeld von Le Pen.

Foto: Sarkozy will es nochmal wissen: Nach den Skandalen und Pleiten muß er erst mal die Partei um sich scharen

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