© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

Bühne frei für Sebastian Edathy
Affäre um Kinderpornos: In der kommenden Woche tritt der SPD-Politiker vor dem Untersuchungsausschuß des Bundestages auf
Christian Schreiber

Auf diesen Auftritt wartet Berlin: Am Donnerstag kommender Woche wird Sebastian Edathy auf die politische Bühne zurückkehren. Dann ist der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete vor den Untersuchungsausschuß des Bundestags geladen, der die nach ihm benannte Affäre aufklären soll. Zuvor will Edathy vor der Bundespressekonferenz Rede und Antwort stehen.

Der frühere Innenexperte wird verdächtigt, kinderpornographisches Material über das Internet bezogen zu haben. Die Affäre um den 45jährigen war im Februar hochgekocht, seitdem ist Edathy abgetaucht. Der Untersuchungsausschuß soll klären, was wann genau geschah, wer wann etwas wußte und wer Edathy möglicherweise vor den Ermittlungen gegen ihn gewarnt hatte. Im Zuge der Edathy-Affäre mußte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) seinen Hut nehmen, und SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel mußten sich unangenehme Fragen stellen lassen. Auch der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, war massiv unter Druck geraten.

Auch Sigmar Gabriel war informiert

Edathy soll zwischen 2005 und 2010 beim kanadischen Online-Händler Azov Films neunmal Fotos und Videos mit nackten Jungen bestellt haben. Bei sieben Bestellungen soll er die Bilder postalisch zugeschickt bekommen haben, bei zwei Bestellungen über das Netzwerk des Bundestags heruntergeladen haben. Daß er dieses Material konsumiert habe, streitet Edathy nicht ab. In einem Interview mit dem Spiegel berief er sich darauf, „daß der männliche Akt eine lange Tradition habe“, was eine Welle der Empörung auslöste. Als sicher gilt allerdings, daß das Material, welches Edathy vom kanadischen Anbieter bezog, juristisch „allenfalls grenzwertig“ gewesen sei, wie ein Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft angab.

Azov Films wurde im Frühjahr 2011 von kanadischen Behörden ausgehoben, der Betreiber kam in Haft. Eine Kundenliste wurde auch an das BKA weitergeleitet, dieses gab die Datei an die Staatsanwaltschaft in Frankfurt weiter. Als belegt gilt mittlerweile, daß Innenminister Friedrich im Oktober 2013 durch BKA-Chef Ziercke informiert wurde. Friedrich erwähnte während der Sondierungsgespräche für die schwarz-rote Koalition gegenüber SPD-Chef Sigmar Gabriel, daß mögliche Ermittlungen gegen Edathy anstünden. Gabriel gab diese Information an den Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann ebenso weiter wie an Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Aus SPD-Sicht durchaus nachvollziehbar, galt Edathy zu diesem Zeitpunkt doch als möglicher Kandidat für das Amt des Bundesinnenministers.

Was anschließend genau geschah, bleibt bis heute nebulös. Nur soviel ist sicher: Sebastian Edathy ließ sich im Januar 2014 krank schreiben, verschwand von der Bildfläche. Sein Anwalt Christian Noll fragte zeitgleich bei der Staatsanwaltschaft Hannover nach Verdachtsmomenten im Hinblick auf Kinderpornographie gegen seinen Mandanten. Wenig später eröffnete die Behörde ein „verdecktes Ermittlungsverfahren“ gegen Edathy, da es unklar gewesen sei, ob das von Edathy bezogenes Material als strafwürdig einzustufen war.

Am 6. Februar informierte die Staatsanwaltschaft Hannover Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) über das Ermittlungsverfahren. Der auf dem Postweg verschickte Brief traf aber erst nach fünf Tagen beim Parlamentspräsidenten ein. Am folgenden Tag legte Edathy sein Bundestagsmandat aus „gesundheitlichen Gründen“ nieder, womöglich um einer Aufhebung seiner Immunität zuvorzukommen. Vier Tage später durchsuchte die Polizei in Edathys Heimatort Rehburg in Niedersachsen Rehburg vier Büro- und Wohnräume von Edathy. Die Ausbeute war mit zwei Computern laut Staatsanwaltschaft „sehr mager“. Intakte Festplatten seien nicht dabei gewesen, lediglich Reste. Wenig später wurde zudem bekannt, daß Edathy seinen Dienstlaptop als gestohlen gemeldet hatte.

Bei anschließenden Durchsuchungen in Edathys Berliner Büros und bei Abgleichungen des Bundestagsservers fanden Ermittler Hinweise darauf, daß der SPD-Politiker russische Internetseiten mit „jugendpornographischen Material“ besucht habe. Darauf gründet sich schließlich auch im wesentlichen die mittlerweile erhobene Anklage. Edathy bestreitet bis heute, strafrechtlich relevantes Material besessen zu haben.

Der Untersuchungsausschuß des Bundestags erhofft sich Auskunft darüber, ob Edathy möglicherweise vorgewarnt wurde. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete warf den Ermittlungsbehörden wiederum schlampige Arbeit und Geheimnisverrat vor. Bei der Durchsuchung seiner Privaträume soll ein Journalist einer Tageszeitung anwesend gewesen sein. Edathy, der dem NSU-Untersuchungsausschuß vorgestanden hatte, vermutet ein Komplott gegen ihn. „Ich bin einigen Leuten wohl zu sehr auf die Füße getreten.“ Er bemühte sich zudem vergeblich darum, vom Bundesverfassungsgericht feststellen zu lassen, daß die Hausdurchsuchung gegen ihn nicht rechtens gewesen sei.

Die juristische Tragweite der Affäre ist ohnehin eher gering. Edathy könnte mit einer Geldstrafe davonkommen. Sogar ein Freispruch gilt als möglich.

Foto: Der ehemalige SPD-Innenexperte Sebastian Edathy: Wer wußte wann was?

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