© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/14 / 12. Dezember 2014

„Wir haben einen Nerv getroffen“
Lutz Bachmann gilt als „Erfinder“ von „Pegida“. Inzwischen bringt die Bewegung montags über 10.000 Menschen auf die Straße.
Moritz Schwarz

Herr Bachmann, wie schafft man es, 10.000 Menschen auf die Straße zu bringen?

Bachmann: Na, mit einer so tollen Truppe wie unserem Orgateam!

Das ist der Lutz-Bachmann-Freundeskreis?

Bachmann: Wir sind zwölf Freunde, ja.

Klingt immer noch unglaublich.

Bachmann: Find ich auch. Wir hätten selbst nie gedacht, daß das so einschlägt.

Wie hat es angefangen?

Bachmann: Nach Massenschlägereien zwischen Moslems und Jesiden in Hamburg und Celle und einer Pro-PKK-Aktion hier in Dresden, die öffentlich Waffen für die verfassungsfeindliche und verbotene Terrororganisation forderte, haben wir eine Facebook-Gruppe gegründet. Dann kam die erste Demo mit 350 Leuten. Seitdem wachsen wir rasant.

Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Bachmann: Offensichtlich haben wir einen Nerv getroffen.

Welchen Nerv?

Bachmann: Zum einen sind da die Mißstände, die wir anklagen: Die Islamisierung unseres öffentlichen Raumes, wenn etwa aus Rücksicht auf den Islam aus Weihnachtsmärkten „Wintermärkte“ werden. Wobei ich sage: Solcher Unsinn geht meist nicht von Muslimen aus, sondern von der deutschen Political Correctness. Dann die wachsende Anzahl von Islamisten in Deutschland, die zunehmende Ausländergewalt auf deutschen Straßen und die steigende Zahl an Flüchtlingen und deren unzulängliche Unterbringung, die zur Belastung der Anwohner wird. Zum anderen ist da das Desinteresse der Politik, die völlig blind dafür ist, wie die Bürger all das empfinden. Beschwerden werden nicht ernst genommen, stattdessen bekommen die Menschen von den Politikern weltfremdes, politisch korrektes Gerede zu hören.

Geht es um Zuwanderung?

Bachmann: Es geht nicht gegen, es geht um vernünftige Einwanderung. Ich sage klar, wir sind weder gegen Kriegsflüchtlinge noch gegen die Muslime bei uns im Land. Im Gegenteil, wir fordern sogar eine bessere Unterbringung für Kriegsflüchtlinge. Diese brauchen mehr Integrationshelfer und müssen dezentral untergebracht werden, damit ihre Integration klappt und sie nicht zur Belastung für die Bürger werden. Ebenfalls freuen wir uns, daß auch Muslime bei Pegida mitmachen. Ich selbst habe viele muslimische Freunde und Geschäftspartner. Wogegen wir uns aber wenden, ist der unablässige Zustrom an Wirtschaftsflüchtlingen, die nicht asylberechtigt sind. Und wir sind strikt – nicht gegen den Islam – aber gegen Islamismus und Islamisierung. Deutschland ist Abendland! Das richtet sich nicht gegen Menschen anderen Glaubens, aber wir erwarten, daß sie unsere Sitten und Gebräuche respektieren, so wie wir, wenn wir in muslimische Länder fahren.

Was ist daran nationalsozialistisch?

Bachmann: Bitte?

Immerhin mobilisieren Antifa und das „Bündnis Dresden Nazifrei“ gegen Pegida.

Bachmann: Wir haben bei der Polizei nachgefragt: Die hat unter unseren vorletzten 7.500 Spaziergängern insgesamt 25 politische Rechtsextremisten und 120 Personen aus der Hooligan-Szene erkannt. Das ist ein Anteil von unter zwei Prozent. Natürlich haben wir uns von diesen Leuten distanziert. Mehr können wir nicht tun, ausschließen etwa geht nicht. Erstens weil wir sie gar nicht kennen, zweitens weil das sächsische Versammlungsrecht das nicht erlaubt. Nein, die Frage müssen Sie schon dem „Bündnis Dresden Nazifrei“ stellen, das versucht, unsere Montagsspaziergänge zu blockieren.

Deshalb haben Sie sich am vergangenen Montag nur für eine stationäre Kundgebung ohne „Spaziergang“ entschieden?

Bachmann: In der Presse wurde massiv der Vorwurf erhoben, unsere Spaziergänge störten die Umsätze der Einzelhändler. Aus Rücksicht auf diese haben wir uns auf eine Kundgebung beschränkt.

Statt dessen sind am Montag 9.000 Gegendemonstranten durch Dresden gezogen. Hat sich die Presse mit Blick auf die Einzelhändler darüber auch beschwert?

Bachmann: Nein.

Wie paßt das zusammen?

Bachmann: Das frage ich mich auch.

Was planen Sie für kommenden Montag?

Bachmann: Wir wollen die Spaziergänge wieder aufnehmen, müssen das aber noch überdenken, denn inzwischen ist die Stadt voller Weihnachtsmärkte.

Werden Sie dann nicht wieder blockiert?

Bachmann: Einerseits vertrauen wir da auf die Polizei. Andererseits aber wollen wir Zusammenstöße nicht provozieren.

Ist das nicht vorauseilende Kapitulation?

Bachmann: Ich sehe das als Sieg unserer Vernunft. Pegida lehnt Gewalt konsequent ab, und wenn wir auf unser Recht auf Räumung bestehen, wird es häßliche Bilder geben, die uns dann angehängt werden. Es gibt genug Journalisten, die nur darauf warten, über „Gewalt bei Pegida!“ zu schreiben, um uns in den Augen der Bürger zu diskreditieren. In diese Falle dürfen wir nicht tappen. Dennoch, wir fühlen uns von unserer Polizei gut beschützt und haben Vertrauen zu ihr.

Deren Chef, Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig, nannte die Pegida-Teilnehmer „Ratten“.

Bachmann: Und mich einen „Rattenfänger“. Aber dafür können die Beamten nichts. Die wissen, was wirklich los ist. Zu mir hat ein Polizeioffizier gesagt: Gäbe es keine Gegendemonstranten, würde er für unsere Tausenden Spaziergänger drei Beamte abstellen. So schätzen die Experten die „Gefährdungslage“ durch uns tatsächlich ein. Nein, es ist doch klar, worum es geht: Die Blockierer wollen uns provozieren, um uns als gewalttätig darzustellen. Die Politiker versuchen es mit der Nazikeule oder seit neuestem mit dem Argument, wir würden den Ruf Dresdens sowie den Wirtschaftsstandort schädigen. Eine Zeitung hat mich deshalb gar ihren Lesern so vorgestellt: „Das ist der Mann, der Deutschlands Zukunft gefährdet!“ Geht’s noch?

Wie bewerten Sie die Berichterstattung über Pegida?

Bachmann: Es ist traurig und klingt komisch, aber die einzige Zeitung, die aus unserer Sicht objektiv berichtet, ist die Bild, die versucht hat darzustellen, statt zu verurteilen. Ansonsten gibt es Medien, die uns über den grünen Klee loben oder vor allem solche, die uns verdammen. Beides ist nicht professionell.

Die „Welt“ warnt vor Pegida als Wegbereiter für das Wiedererstarken der NPD.

Bachmann: Wir fühlen uns von etlichen Medien, die eigentlich den Anspruch haben, seriös zu sein, regelrecht verleumdet. Den Vogel schoß wohl die taz ab, die über uns schrieb: „Es marschieren 6.000 rohe Gestalten ... (die) an die größten Naziaufmärsche Westeuropas, die Dresden in den Jahren bis 2010 erlebt hat, erinnern.“ Pardon, das ist für mich Stürmer-Stil à la Julius Streicher. Für mich ist das Ziel solcher „Berichterstattung“ klar: uns in den Augen der Bürger als Radikalinskis und Schlägertypen darzustellen. Das kommt mir vor wie im Herbst 1989, als die Bürger auch erst als Radikale und Konterrevolutionäre verunglimpft wurden.

Wer kommt tatsächlich zu Pegida?

Bachmann: Zu fast hundert Prozent normale Bürger: Deutsche, Ausländer, Frauen, Kinder, Familien, Behinderte – alle, die friedlich ihren Protest gegen die Gleichgültigkeit der Politiker gegenüber den Problemen ausdrücken wollen. Kaum oder nicht berichtet wird dagegen darüber, daß etwa die TU Dresden ihren Mitarbeitern verbietet, bei uns mitzuspazieren. Daß die Antifa Arbeitgeber unserer Teilnehmer anschreibt und zu Konsequenzen auffordert. Daß mein Auto kaputtgemacht oder daß Pegida-Teilnehmer auf dem Heimweg von der Antifa verprügelt wurden.

Die „Huffington Post“ schreibt: „Keiner hetzt so gegen Muslime wie Bachmann.“

Bachmann: Es ist absurd! Ich sage jeden Montag ausdrücklich, daß wir gegen Islamismus und Islamisierung sind, aber nicht gegen den Islam und integrationsbereite Muslime. Zum Glück ist das nur die Huffington Post. Würde so etwas in der Bild stehen, müßte ich ernstlich um mein Leben fürchten.

Mitte November hat der Dresdner Stadtrat eine Resolution gegen Pegida verabschiedet – mit Unterstützung der AfD-Fraktion. Sind Sie enttäuscht?

Bachmann: Wir sind überparteilich, deshalb enttäuscht uns die Ablehnung der einen nicht mehr als die der anderen.

Immerhin aber entsprechen Ihre Forderungen doch in etwa denen der AfD?

Bachmann: Ehrlich gesagt, ich habe mich mit der AfD noch nicht beschäftigt. Ich bin eigentlich eher der klassische CDU-Wähler. Wenn, dann hat mich persönlich am ehesten deren Verhalten enttäuscht. Das gilt übrigens für unser ganzes Orgateam. Zur Ehrenrettung der AfD sei gesagt, daß deren Landesvorsitzende Frauke Petry Pegida inzwischen in Schutz genommen hat, und auch die AfD-Stadträte haben ihre Position revidiert. Es gibt Signale zum Dialog – auch aus anderen Fraktionen.

Aus welchen?

Bachmann: Kann ich Ihnen nicht sagen, habe Vertraulichkeit zugesichert.

Haben Sie den Kontakt gesucht?

Bachmann: Nein, es sind Sondierer aus verschiedenen Fraktionen auf uns zugekommen. Allerdings betrachten wir Pegida an sich schon als Gesprächsangebot der Bevölkerung an die Politik. Pegida will keine absolute Revolution, sondern erreichen, daß die Politik den Bürgern wieder zuhört.

Wegen der Vorwürfe gegen Ihre Person hatten Sie angekündigt, zurückzutreten.

Bachmann: Ja, um Schaden von Pegida abzuwenden. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich vorbestraft bin. Im Gegenteil, ich habe es sogar von mir aus gegenüber der Bild-Zeitung thematisiert. Die Fälle sind allerdings zwanzig und sechs Jahre her, ich habe meine Strafe abgesessen, meine Taten bereut, eine positive Sozialprognose erhalten und mit dieser Vergangenheit gebrochen.

Immerhin geht es um schweren Diebstahl.

Bachmann: Von 1995 bis 1996 habe ich sechzehn Einbrüche verübt.

Warum?

Bachmann: Das frage ich mich auch. Es war unfaßbar dumm. Ich bin damals unter anderem als Versicherungsmakler zu viel Geld gekommen. Schnell gewöhnt man sich dann an einen hohen Lebensstandard mit Sportwagen und so. Dann aber laufen die Geschäfte mal nicht so gut, und schon braucht man Geld.

Wie wäre es mit Sportwagen verkaufen?

Bachmann: Hätte ich tun sollen! Stattdessen sind wir in Bierlaune auf dumme Ideen gekommen. Kennen Sie das nicht?

Nein.

Bachmann: Na ja, man sitzt so zusammen ... Kennen Sie die Olsen-Bande?

Sie wollen ernstlich sagen, schuld sei eine dänische Gaunerkomödie?

Bachmann: Nein, ich beschreibe nur, wie das gekommen ist. Natürlich war das aber falsch! Über die Versicherung bin ich mit Klienten aus dem Rotlichtmilieu in Kontakt gekommen. Da ist die Idee entstanden, unter anderem bei deren säumigen Schuldnern einzubrechen, um die Schulden quasi einzutreiben – was sich dann leider verselbständigt hat.

Das heißt, irgendwann waren es nicht mehr nur Schuldner?

Bachmann: Genau. Dann, 2008, habe ich eine Kurierfahrt gemacht, wurde angehalten und im Auto 54 Gramm Kokain gefunden: Zwei Jahre auf Bewährung. Ich sage: Zu Recht – obwohl es weder mein Auto noch mein Kokain war.

Wie sollen die Bürger zu Ihnen wieder Vertrauen fassen?

Bachmann: Ich weiß, es ist schwer. Aber ich sage: Ich habe trotz meines Fehlers 2008 eine so positive Kriminal- und Sozialprognose bekommen, daß das Gericht es nicht einmal für nötig hielt, mir einen Bewährungshelfer zu stellen. Und ich habe dieses Vertrauen gerechtfertigt, denn ich habe allein alle Bewährungsauflagen erfüllt. Heute bin ich stolz darauf, für meinen Einsatz während der Flut vom Ministerpräsidenten Tillich und Dresdens Oberbürgermeisterin Orosz – ja, genau die Frau, die heute gegen mich hetzt und mich verteufelt – ausgezeichnet worden zu sein. Damals hat keiner nach meinen Vorstrafen gefragt, als es darum ging, Sandsäcke zu beschaffen und zu verteilen oder meine Zeit im von mir mitgegründeten Fluthilfezentrum Dresden im Dynamo-Stadion zu opfern. Fast zwei Monate habe ich freigenommen und war nur für die Flutopfer im Einsatz. Ich hoffe, damit etwas gutgemacht zu haben.

Über die Grünen, die Sie „Öko-Terroristen“ nennen, haben Sie getwittert, sie gehörten „standrechtlich erschossen“, vor allem Claudia Roth. Wie bitte paßt das zu Ihrer angeblichen Friedfertigkeit?

Bachmann: Da bin ich definitiv übers Ziel hinausgeschossen, was nichts daran ändert, daß Politiker wie Frau Roth und ihre deutschfeindliche Einstellung untragbar sind.

Warum funktioniert Pegida in Dresden, aber nicht in anderen Städten?

Bachmann: Das wissen wir doch noch gar nicht. Pegida ist andernorts erst gestartet. Ich bin zuversichtlich.

Sie haben die magische Marke von 10.000 Teilnehmern geknackt. Wie geht es weiter?

Bachmann: Ich halte sogar 20.000 für möglich, aber darum geht es nicht, es geht hier nicht um Zahlenspiele nach dem Motto „Wer hat den Längsten?“ Wichtig ist, daß wir nicht aufgeben.

Irgendwann läuft sich Pegida doch tot.

Bachmann: Das sehe ich nicht, solange wir weiter hart arbeiten, professioneller werden und konkreter– irgendwann kann die Politik einfach nicht mehr an uns vorbei.

 

Lutz Bachmann, „Der Erfinder von Pegida“ (Bild-Zeitung) wurde 1973 in Dresden geboren und ist von Beruf Werbegrafiker sowie Inhaber einer Bratwurstfabrik in seiner Vaterstadt.

www.pegida.de

Foto: Lutz Bachmann, Sprecher der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), während eines „Montagsspaziergangs“: „Ganz normale Bürger“

 

weitere Interview-Partner der JF

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen