© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

Putins Brautwerben bei den Rechten
Rußland: Der Flirt zwischen Front National, FPÖ & Co. mit Moskau beruht auf Gegenseitigkeit
Thomas Fasbender

Sind es nun neun Millionen Euro oder doch vierzig oder mehr – seit vergangener Woche forschen investigative Journalisten nach Hintergründen und Umfang eines Kredits der unbedeutenden First Czech-Russian Bank an die französische Oppositionspartei Front National (FN).

Die Affäre markiert den vorläufigen Höhepunkt eines Flirts zwischen der Moskauer Regierungspartei Einiges Rußland und nationalistischen, rechtskonservativen Kräften in den Ländern der EU. Der Beginn des Brautwerbens liegt noch nicht lange zurück. Die erste Begegnung der FN-Chefin Marine Le Pen mit dem Vorsitzenden der russischen Staatsduma Sergej Naryschkin liegt erst gut ein Jahr zurück. Seitdem hat die FN-Chefin mindestens sieben hochrangig organisierte Moskaureisen absolviert.

Wenige Wochen nach Le Pens erstem Besuch, im September 2013 bei einer Veranstaltung des internationalen Diskussionsclubs „Waldaj“, erteilte der russische Präsident Wladimir Putin dem neuen konservativen Kurs sein Placet: „Wir sehen, daß viele euro-atlantische Länder im Begriff sind, sich faktisch von ihren Wurzeln loszusagen, von den christlichen Werten, dem Fundament der westlichen Zivilisation.“

Putins Rede war der Auftakt einer ganzen Reihe grenzüberschreitender Aktivitäten. Im November 2013 trat die Duma-Abgeordnete Jelena Misulina in Leipzig bei der Konferenz „Für die Zukunft der Familie“ auf. Misulina ist die Initiatorin des russischen Gesetzes gegen die Werbung für nichttraditionelle Sexualpraktiken unter Minderjährigen.

Russische Politiker sind Dauergast bei EU-Rechten

Im Folgemonat waren der Duma-Abgeordnete Viktor Zubarev und Alexej Komow, russischer Vertreter beim Weltkongreß für die Familie, zu Gast beim Parteitag der italienischen Lega Nord in Turin (JF 52-13/1-14). Das Treffen war auch die Plattform europäischer Rechtskonservativer im Vorfeld der Europawahl, allen voran Heinz-Christian Strache, FPÖ-Chef aus Wien, und der Vorsitzende der niederländischen Freiheitspartei Geert Wilders.

Drei Monate später, am 16. März 2014, verlieh die Anwesenheit von Repräsentanten rechtsgerichteter europäischer Organisationen dem Referendum zur Sezession der Krim einen Anschein internationaler Akzeptanz. Dabei waren Wahlbeobachter aus Österreich (FPÖ), Belgien (Vlaams Belang, Parti Communautaire National-Européen), Bulgarien (Ataka), Frankreich (Front National), Ungarn (Jobbik), Italien (Lega Nord, Fiamma Tricolore), Polen (Samoobrona), Serbien (Dveri) und Spanien (Plataforma per Catalunya). Als Koordinator fungierte der Eurasische Rat für Demokratie und Wahlen (EODE) unter Leitung des belgischen Nationalbolschewisten Luc Michel.

Ende Mai 2014 lud der Moskauer Finanzinvestor Konstantin Malofejew europäische Konservative zu einer vertraulichen Tagung ins Wiener Palais Liechtenstein. Unter den Gästen: der spanische Prinz Sixtus Henri von Bourbon-Parma, Serge de Pahlen, Ehemann der Fiat-Erbin Margherita Agnelli, der italienische Historiker Roberto de Mattei, der bulgarische Ataka-Vorsitzende Wolen Siderow, aus Österreich die FPÖ-Politiker Strache und Johann Gudenus und aus Frankreich die FN-Abgeordneten Marion Maréchal Le Pen und Aymeric Chauprade.

Schillerndster russischer Redner in Wien war der Chefideologe der Eurasischen Bewegung, Alexander Dugin: „Uns unterstützt eine fünfte Kolonne in Europa. Es sind europäische Intellektuelle, die ihre Identität suchen.“

Notabene: Derselbe Dugin verlor wenige Wochen später seinen Lehrstuhl an der renommierten Moskauer Staatlichen Universität MGU, mutmaßlich wegen allzu scharfer Putin-Kritik aus der nationalistischen Ecke.

Aymeric Chauprade, der geopolitische Berater Marine Le Pens, kam im Spätsommer 2014 auch nach Moskau. Geschmückt mit der blauen Schärpe des EU-Parlaments saß er bei der Eröffnung einer Konferenz zum Thema Kinder und Familie auf dem Podium, eingerahmt vom russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill und vom Chef der russischen Staatsbahnen Wladimir Jakunin, einem großen Förderer konservativer Themen in seiner Heimat.

In Deutschland verkörpert der Herausgeber des Magazins Compact, Jürgen Elsässer, eine wesentliche Achse der Kreml-PR. Bei seiner Berliner Rußland-Konferenz im November 2014 traten gleich zwei Schwergewichte an: Jelena Misulina und Wladimir Jakunin, außerdem die Chefin der Pariser Filiale des Instituts für Demokratie und Zusammenarbeit, Natalija Narotschnizkaja (JF 49/14).

Vereint gegen Brüssel und den hedonistischen Westen

Die Hoffnung, im Kreis der europäischen Eliten je akzeptiert zu werden, hat Moskau spätestens nach Putins Wiederwahl zum Präsidenten 2012 aufgegeben. Da war die neue Rivalität mit dem Westen längst schon absehbar. Nicht umsonst zählte Rußland bis zur kommunistischen Revolution zu den konservativsten Ländern Europas, und nicht umsonst genießt es bei den europäischen Konservativen heute wieder Sympathie – bei jenen „alten Schlages“ ebenso wie bei den sogenannten einfachen Leuten, die sich von den hedonistischen „urbanen Mittelschichten“ nicht mehr vertreten fühlen.

Rußland und die europäischen EU-Skeptiker haben zudem ein gemeinsames Ziel: kein Brüssel- oder West-Imperium entstehen zu lassen. In ihrem Zusammengehen verbinden beide das Angenehme mit dem Nützlichen.

Auf der anderen Seite des Spektrums regt sich Widerstand gegen die Einmischung seitens des Kreml, und das nicht erst seit dem FN-Kredit. Der Bostoner Politikwissenschaftler und Osteuropaexperte Mitchell Orenstein forderte schon im Frühjahr 2014 gesetzliche Maßnahmen gegen eine Parteienfinanzierung durch nicht-westliche Länder. FPÖ-Vize Gudenus meldet jedoch gegenüber der JF Skepsis an: „Warum bewertet unsere Politik- und Medienöffentlichkeit die finanzielle Unterstützung von NGOs durch die USA anders als durch Rußland?“

Der logische Schluß, so Gudenus, scheine doch, daß jeder, der mit Rußland Geschäfte mache oder von dort finanzielle Unterstützung bekomme, das Land dabei unterstütze, die US-amerikanische Hegemonie zu torpedieren. Dies sei offensichtlich nicht erwünscht.

Fotos: FN-Chefin Marine Le Pen und der Duma-Vorsitzende Sergej Naryschkin (r.): Dem ersten Treffen im September 2013 folgten weitere; Der Duma-Abgeordnete Viktor Zubarev auf dem Parteitag der Lega Nord in Turin (Dez. 2013): Geert Wilders (PVV), Matteo Salvini (Lega) und Heinz-Christian Strache (FPÖ; v.l.n.r.) lauschen bedächtig

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