© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/14 / 05. Dezember 2014

Gysis Truppe schlittert in die Krise
„Klo-Affäre“: Der anhaltende Streit um die Haltung zu Israel treibt einen Keil zwischen die Abgeordneten der Linksfraktion
Christian Schreiber

Kurz vor dem Ende seiner Amtszeit am vergangenen Wochenende fuhr der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, noch einmal schweres Geschütz auf. Mit Blick auf die Linkspartei sprach er von „regelrechten Israel-Hassern“, die er in der Partei ausgemacht habe. Für die Partei kommt diese Diskussion zur Unzeit.

In Thüringen soll ihr Spitzenkandidat Bodo Ramelow am Freitag zum Ministerpräsidenten gewählt werden (siehe Seite 6), gleichzeitig denken führende Sozialdemokraten über eine Koalition mit den SED-Erben auf Bundesebene nach. „Kritik an Israel ist keineswegs per se immer antisemitisch“, sagte Graumann. „Wo sie aber völlig unverhältnismäßig und mit einer einseitigen haßerfüllten Fixierung auf Israel ausgelebt wird, ist die Grenze zum Antisemitismus überschritten.“ Und dies sei bei nicht wenigen Mitgliedern der Linkspartei der Fall: „Das muß die Linke endlich dringend aufarbeiten.“

Innerhalb der deutschen Linken kommt es immer wieder zu „Israel-Debatten“. Bereits 2011 entbrannte eine hitzige Diskussion, als nordrhein-westfälische Funktionäre der Linkspartei laut darüber nachdachten, daß „nie wieder Krieg für Israel“ geführt werden dürfe. Um den Nahost-Konflikt ging es auch bei einer Diskussionsveranstaltung, die vor zwei Wochen im Bundestag stattfand. Die beiden Israel-Kritiker Max Blumenthal und David Sheen waren von Mitgliedern der Linksfraktion eingeladen worden. Die Fraktion verwehrte indes die Nutzung ihrer Räume. Daraufhin bedrängten die beiden amerikanischen Journalisten den Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi auf den Fluren des Bundestags und verfolgten ihn sogar auf die Toilette. Die „Klo-Affäre“ sorgte deutschlandweit für Schlagzeilen.

Vertreter des gemäßigten Parteiflügels wollten die vier Organisatoren und Teilnehmer der umstrittenen Gesprächsrunde mit einer Unterschriftenkampagne im Internet zu Konsequenzen bewegen. Gysi ließ seine Sympathie erkennen. Er habe den Aufruf „ Ihr sprecht nicht für uns“, der sich gegen die Israel-Kritiker richtete, „mit Interesse zur Kenntnis genommen“. Seine Reihen rief er dennoch zur Geschlossenheit auf und forderte, die Diskussion zu beenden. „An alle Mitglieder von Partei und Fraktion appelliere ich, ihre ideologischen Differenzen nicht anhand dieses Vorfalls auszutragen.“

Die stellvertretende Parteivorsitzende Sahra Wagenknecht ging dennoch frontal auf innerparteiliche Kritiker los. Sie warf den sogenannten Reformern vor, den jüngsten Vorfall zu instrumentalisieren. Die kritisierten Israel-Gegnerinnen Inge Höger, Annette Groth und Heike Hänsel hätten sich „in aller Form entschuldigt“, und Gysi habe das akzeptiert, sagte sie dem Kölner Stadt-Anzeiger. Sie fügte hinzu: „Wer jetzt noch nachtritt, dem geht es offenbar nicht um die Hetzjagd auf Gysi, sondern um eine willkommene Gelegenheit, mit drei linken Fraktionsmitgliedern abzurechnen“, sagte sie der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Die Grünen reagierten irritiert

Der Vorstand der Linkspartei distanzierte sich unterdessen von radikalen israelkritischen Positionen, erklärte aber zugleich, „eine inflationäre Verwendung“ des Antisemitismus-Vorwurfs abzulehnen. „Um so wichtiger ist es, daß wir die nötige Trennschärfe aufweisen und dem pauschalisierenden Antisemitismusvorwurf nicht durch eigene Handlungen oder Stellungnahmen Vorschub leisten.“ Im Parteiprogramm stehe, daß Deutschland wegen der beispiellosen Verbrechen während des Nationalsozialismus besondere Verantwortung für Israel trage. „Insbesondere diese Verantwortung verpflichtet auch uns, für das Existenzrecht Israels einzutreten.“ Dieser Grundsatz schließe „die Beteiligung an jeglichen Initiativen, Bündnissen oder Veranstaltungen aus, die das Existenzrechts Israels in Frage stellen“.

Bei den Grünen, dem Partner in Thüringen und womöglich auch im Bund sorgte der Eklat ebenfalls für Irritationen. Die Parteivorsitzende Simone Peter verurteilte die „offen israelfeindlichen Äußerungen“. Diese seien „besorgniserregend und für eine Partei, die irgendwann Minister in einer deutschen Regierung stellen möchte, schlichtweg inakzeptabel“, sagte sie der Süddeutschen Zeitung.

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