© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Putin als russischer Humboldt: Eine Hochschulreform im Galopp
Bildung nach Plan
(ob)

Rußlands Führung hat begriffen, daß ihr Riesenreich im Wettbewerb der Systeme in einer noch multipolaren Welt gnadenlos weiter zurückfallen wird, wenn die Wissenschafts- und Forschungsinstitutionen nicht reformiert werden. Zudem muß der Staat zukünftig bis zu 3,5 Prozent seines Bruttosozialprodukts für die Wissenschaft aufwenden, während es derzeit kaum ein Prozent sind. Darum ist 2013 unter Staatspräsident Wladimir Putin eine Brachialreform begonnen worden, die im März 2014 mit der Auflösung der bald 300 Jahre alten Akademie der Wissenschaften, dem traditionellen Zentrum russischer Grundlagenforschung, im Galopp ein wichtiges Etappenziel erreicht hat. Darüber hinaus sollen nicht weniger als 400 als „ineffektiv“ eingestufte private und staatliche Hochschulen verschwinden. Planvorgabe wie in alten Sowjetzeiten ist, mit einer verschlankten Struktur international zu reüssieren, so daß bis 2020 mindestens fünf russische Universitäten in den Kreis der weltweit besten 100 aufrücken könnten (Deutsche Universitäts-Zeitung, 9/2014). Kritiker befürchten indes, die ministerielle Nomenklatura wolle sich nur am gigantischen Immobilien- und Grundstücksbesitz der zerschlagenen Akademie bereichern, während sie die Grundlagenforschung künftig als „Fetisch der Kommerzialisierung“ behandle.

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