© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Blick in die Medien
Wer braucht solche Abstimmungen?
Tobias Dahlbrügge

Der einfachste Weg, Lesern von Onlinezeitungen eine Interaktionsmöglichkeit vorzugaukeln, ist die Klick-Abstimmung. Keine Internetseite kommt ohne sogenanntes Voting aus: Wie finden Sie dieses? Was halten Sie von jenem? Keine Frage ist zu dumm, um nicht damit Seitenzugriffe zu generieren.

Dabei sind Votings gar nicht einfallsreich. Früher hießen sie Zuschauerabstimmungen und wurden per Postkarte ermittelt, zum Beispiel beim Tor des Monats oder der ZDF-Hitparade.

Bedenklich ist es, wenn die Abstimmungen von den Medien selbst manipuliert werden.

Online-Abstimmungen sind kein bißchen repräsentativ und beliebig manipulierbar. Es ist nicht möglich, Mehrfachabstimmungen zu verhindern (notfalls wird der Cache-Speicher geleert und die Seite neu aufgerufen), und mancher Witzbold klickt absichtlich die unplausible Option an, um sich über ein unsinniges Ergebnis zu freuen.

Bestes Beispiel: Die Panne der Henkel AG, die mit einem Voting über Nutzervorschläge für einen Werbespruch der Spülmittelmarke Pril abstimmen lassen wollte. Die Netz-Meute favorisierte den Nonsens-Spruch „Pril schmeckt lecker nach Hähnchen“. Das Unternehmen mußte eingreifen und die Abstimmung abbrechen – ein Empörungssturm war die Folge.

Bedenklich wird es, wenn die Abstimmungen von den Medien selbst manipuliert werden, so wie die Zuschauerabstimmungen bei den öffentlich-rechtlichen Fernsehsendern, unter anderem bei Deutschlands Beste (ZDF). Die Redakteure vertauschten beliebig die Wertungen der Zuschauer.

Die Klick-Abstimmungen sind weder geeignet, Menschen zu beteiligen, noch Stimmungen zu untersuchen. Trotzdem wird diese belanglose Spielerei immer öfter zum erntzunehmenden Instrument erklärt. Ein gefährlicher Quatsch, denn besonders bei Fragestellungen „gegen“ irgend etwas mobilisieren Fangruppen, Parteien und zweifelhafte Initiativen gezielt ihre Anhänger.

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