© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Computer rechnen besser – na und?
Schach: Kritiker bemängeln die Langeweile bei der soeben zu Ende gegangenen Weltmeisterschaft
Richard Stoltz

Die diesjährige Schachweltmeisterschaft zwischen der zur Zeit amtierenden Nummer eins Magnus Carlsen und seinem Herausforderer Viswanathan Anand ist vorbei. Sie endete mit dem Sieg von Carlsen, und die wenigen professionellen Beobachter des Turniers sind es zufrieden. Dennoch waltet offen bezeugte Unzufriedenheit über den Verlauf des Duells.

Garri Kasparow, Weltmeister zwischen 1985 und 1993 und noch heute bekannt für seine damaligen tollkühnen Zugkombinationen, nannte das Turnier „enttäuschend“ und führte das auf die beteiligten Duellanten zurück, die leider nicht in der von ihnen gewohnten Hochform gewesen seien.

Aber liegt es wirklich an den Duellanten? Oder speist sich die allgemeine Langeweile nicht vielmehr aus der Gewißheit, daß menschliche Schachspieler heutzutage sowieso nicht mehr optimale Turniere vorzeigen können im Vergleich zu den Auseinandersetzungen, die sich inzwischen hochgezüchtete Schachautomaten liefern, etwa „Deep Fritz“ Nummer 9 contra „Deep Fritz“ Nummer 10?

Der letzte Kampf zwischen einem menschlichen Schachweltmeister, Wladimir Kramnik, und einem Schachroboter, „Deep Fritz“ Nummer 7, fand 2006 in Bonn statt, und er endete gerade noch einmal unentschieden. Seitdem gibt es, ehrlich betrachtet, nur noch mechanische Weltmeister.

Ein wirkliches Spiel im menschlichen Sinne ist Computerschach natürlich nicht. Doch auch das Schach-„Spiel“, wie wir es seit Jahrhunderten kennen, war nie ein richtiges Spiel. Am Grund dieser von Kampfeslärm und genialem Einfallsreichtum geprägten Elite-Unterhaltung lauerte stets der simple Abzählreim – und rechnen können die Computer am Ende eben besser als selbst das trainierteste Menschengehirn. Na und? Wir können es ertragen.

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