© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Die deutsche Konjunktur kommt ins Stottern
Wirtschaftswachstum: Der Aufschwung, der 2006 begann, scheint zu Ende zu gehen / Kommt jetzt eine längere Rezessionsphase auf Deutschland zu?
Markus Brandstetter

Immer wenn es am schönsten ist, dann ist es bald vorbei. Auf die fetten sieben Jahre folgen fast schon unweigerlich die mageren sieben. Das steht schon in der Bibel, auch wenn es darin sonst eher selten um die Wirtschaft geht.

Sieben Jahre lang, von 2006 bis 2012, ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bundesrepublik sehr ordentlich gestiegen, zumindest in fünf dieser sieben Jahre. 2010, im besten Jahr dieser Reihe, ist das BIP satte 4,1 Prozent gewachsen, 2006, 2007 und 2011 waren es immerhin auch noch über drei Prozent, und selbst im Krisenjahr 2008 lag der Wert noch bei über einem Prozent. Gewiß, dazwischen lag das Katastrophenjahr 2009, in dem das BIP um entsetzliche 5,6 Prozent gesunken ist, ein seit dem Zweiten Weltkrieg nie dagewesener Wert, aber in diesem Jahr waren auch die Folgen der weltweiten Finanzkrise der Jahre 2007 und 2008 zu verkraften. Die Jahre von 2004 bis 2012 waren wirtschaftlich gesehen für die Deutschen gute Jahre, das Wachstum, das in den beiden Jahrzehnten davor immer bei Werten zwischen einem und zwei Prozent im Jahr gelegen hatte, war mit spektakulärer Kraft und Beständigkeit zurückgekehrt. Die Arbeitslosigkeit ging erstmals seit den 1970er Jahren wirklich spürbar zurück, der Fiskus nahm Geld ein wie nie zuvor, und erstmals plant der Bund für dieses Jahr einen strukturell ausgeglichenen Haushalt und die geringste Neuverschuldung seit 40 Jahren.

Deutschland könnte dem Schicksal Japans folgen

Politiker betrachten die Welt hauptsächlich aus der Perspektive der Vergangenheit. Das heißt: Sie schreiben die Werte der Vergangenheit gerne in die Zukunft fort und tun dann so, als würde es nun immer so weitergehen. So verhält es sich auch mit der Entwicklung der Wirtschaft. Weil nun sieben gute Jahre hinter uns liegen, ist die Regierung bei der Planung des Staatshaushaltes anscheinend davon ausgegangen, daß es genau so weitergehen würde, weshalb die Rente mit 63 und der Mindestlohn eingeführt worden sind. Das sind in Wahrheit zwei Wachstumskiller sondergleichen, die Handel, Industrie und Dienstleistung schweres Kopfzerbrechen verursachen und dafür sorgen, daß es mit den guten Jahren bald vorbei sein wird. 2012 und 2013 ist das BIP nur noch um 0,4 Prozent beziehungsweise um 0,1 Prozent gestiegen – viel zu wenig, um die neuen Belastungen, die auf den Haushalt zukommen, finanzieren zu können.

Die Bundesregierung traut dem Frieden daher auch nicht so ganz, denn Finanzminister Wolfgang Schäuble hat bis 2016 zusätzlich zu den fünf Milliarden, die bereits vorgesehen waren, weitere zehn Milliarden Euro für den Bau von Brücken, Straßen und Autobahnen bewilligt – aber das ist ein Tropfen auf den heißen Stein, der das BIP lediglich um winzige 0,1 Prozent nach oben schieben wird.

Diese Entwicklung kommt zu einer schlechten Zeit, denn die hungrigen Augen der übrigen EU-Staaten ruhen auf der deutschen Konjunkturlokomotive, die in ganz Europa Nachfrage generieren und Wachstum schaffen soll, damit die EU-Südstaaten endlich aus ihrer Dauerkrise herauskommen. Es läßt sich bereits heute getrost sagen: Das wird nicht so kommen. Deutschland wird weder die EU-Südländer noch das europäische Währungssystem retten können.

Sehr viel wahrscheinlicher als der andauernd prognostizierte Aufschwung für die Eurozone ist in Wirklichkeit eine jahrelange Stagnation nach dem Muster Japans. Dort ist das BIP dreißig Jahre lang, von 1956 bis 1989, spektakulär gewachsen und hat das nach dem Zweiten Weltkrieg bitterarme und – bis auf die Rüstungsindustrie – unterentwickelte Land zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt aufsteigen lassen. Aber seit 1990 ist in Japan der Ofen aus. Da krebst das Wachstum pro Jahr zwischen null und zwei Prozent herum, die Zinsen liegen seit Jahrzehnten bei weniger als einem Prozent, die einstmals gefürchteten Elektronikriesen wie Sony und Panasonic haben an Bedeutung verloren – aber ganz egal, was die Regierung auch tut: nichts hilft. Das Land verharrt in der Rezession.

Vieles spricht dafür, daß auch in Deutschland wieder sieben ungemütliche Jahre folgen werden. Die anhaltende Niedrigzinspolitik der EZB vernichtet zwar die Sparvermögen, aber die Wirtschaft bringt sie nicht auf Touren. So ist das Wachstumsproblem also nicht zu lösen. Es bliebe der Keynesianismus, also die künstliche Steigerung der Nachfrage durch höhere Investitionen, höhere Löhne, mehr Kaufkraft und Nachfrage. Das funktioniert leider auch nicht, weil höhere Löhne nicht automatisch zu höherem Konsum führen, dafür aber die Exporte verteuerten – das einzige gesunde Standbein, das Deutschland noch hat.

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