© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Frisch gepresst

Hirnforschung. Ende des 19. Jahrhunderts galten seelische Erkrankungen als organisch bedingt. Allein in Hirn und Rückenmark, so die fast einhellige Überzeugung der akademisch etablierten Psychiater und Neurologen, seien die Ursachen für die Störungen der Psyche zu suchen. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde diese streng medizinische Betrachtungsweise seit den 1920ern durch die „geisteswissenschaftlichen“ Lehren der Psychoanalyse Sigmund Freuds und der Individualpsychologie Carl Gustav Jungs verdrängt. Bis heute pocht das Gros der Psychotherapeuten darauf, die Psychoanalyse sei ein „verstehend-interpretierendes Verfahren, das sich an die klassische Hermeneutik oder die „Kommunikationstheorie“ von Jürgen Habermas eher anzulehnen habe als an die „kalte“ naturwissenschaftlich-empirische Diagnostik. Gerhard Roth, der bekannteste deutsche Hirnforscher, hält eine solche Ignoranz gegenüber neurobiologischen und neurochemischen Prozessen, worin viele Formen von Persönlichkeitsstörungen wurzeln, nicht länger für akzeptabel. Sein jüngstes Werk, das im ersten Teil eine solide Einführung in den aktuellen Stand der Hirnforschung vermittelt, wirbt daher in der zweiten Hälfte für eine neue „therapeutische Allianz“ zwischen Psychologen und Neurowissenschaftlern. (dm)

Gerhard Roth, Nicole Strüber: Wie das Gehirn die Seele macht. Klett-Cotta, Stuttgart 2014, gebunden, 425 Seiten, Abbildungen, 22,95 Euro

 

Mauerfall. Er hat den Dialog des Jahres 1989 verursacht. Denn auf seine Frage am 9. November „Wann tritt das in Kraft?“ stammelte das verunsicherte SED-Politbüromitglied Günter Schabowski seinen mauerstürzenden Satz „Das tritt nach meiner Kenntnis, ist das sofort, unverzüglich“ den im Ost-Berliner Pressezentrum versammelten Journalisten entgegen. 25 Jahre nach diesen Ereignissen erzählte Peter Brinkmann, der damalige DDR-Korrespondenten der Bild-Zeitung, diesen Höhepunkt seiner Pressekarriere mit verschmitztem Grinsen immer wieder in Interviews. Sein gerade erschienenes Buch geht über diese historische Anekdote hinaus und schildert detailliert die Stimmung in der DDR im Umbruchjahr und den doch holprigen politischen Prozeß der Wiedervereinigung bis zum 3. Oktober 1990. (bä)

Peter Brinkmann: Zeuge vor Ort. Edition Ost, Berlin 2014, broschiert, 256 Seiten, Abbildungen, 16,99 Euro

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