© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Auch bei McDonald’s gibt es Saures
Gewaltgeladene Durchsetzung von Kapitalismus und Demokratie: Peter Schlotters vorsichtig formulierte Zweifel an der „Big Mac Theory“
Oliver Busch

Keine zwei Länder, in denen es McDonald’s gibt, haben jemals gegeneinander Krieg geführt. Dieses launige Axiom, formuliert von dem New Yorker Journalisten Thomas L. Friedman, scheint als „Big Mac Theory“, der zufolge globale wirtschaftliche Beziehungen den Frieden fördern, von durchschlagender Überzeugungskraft zu sein.

Die politische Theorie hat allerdings nicht auf Friedman gewartet, um die Gleichung Handel gleich Frieden aufzustellen. Schon bei Immanuel Kant (1724–1804) findet sich die griffige Formel, der internationale Warenaustausch vereinige die Völker durch „wechselseitigen Eigennutz“. Daraus habe Kant, so stellt der Heidelberger Politikwissenschaftler Peter Schlotter fest (Ruperto Carola, 4/14), eine systematische, philosophisch begründete Friedenstheorie entwickelt, mit der Konstruktion eines Völkerbundes, der dann die besten Aussichten habe, den Frieden zu wahren, wenn allein Republiken, nach moderner Diktion: Demokratien, seine Mitglieder seien.

Verschleierung von Kriegen als „Zivilisierungsmission“

Diese über derart respektable Vordenker verfügende Utopie vom Weltfrieden ist von US-Politologen gerade nach dem Ende des Kalten Krieges zwecks ideologischer Unterfütterung des Washingtoner Programmes „Enlarging Democracy“, der Einrichtung der universalen liberalen Weltordnung, wortreich ausgebaut worden und dominiert heute den Diskurs in der Friedens- und Konfliktforschung. Trotzdem wagt Schlotter mit moderat-kritischen Einwänden ihre Plausibilität und damit auch ihre Praxistauglichkeit in Frage zu stellen.

Denn die „Big Mac Theory“ gelte nur für die Vergangenheit. Wie alle nicht-naturwissenschaftlichen Gesetze erlaube sie keine Aussagen über die Zukunft. Selbst wenn die Kombination von „enger wirtschaftlicher Interdependenz, hohem interdemokratischem Institutionalisierungsgrad und der Herausbildung eines zwischendemokratischen ‘Wir-Gefühls’“ bisher nachhaltige Friedenswirkungen entfaltet habe, „so ist nicht gesagt, daß dies immer so bleiben muß“.

Zudem suggeriere die Verbindung von Demokratie und Frieden eine sozioökonomisch konstitutive Friedfertigkeit demokratischer Gesellschaften. Dies sei offenkundig ein Irrtum. Denn angesichts zahlloser Kriege gegen „Autokratien und Diktaturen“ lasse sich schwerlich von demokratischer Friedfertigkeit sprechen. Vielmehr seien, abgesehen vom Zeitalter der Weltkriege, bei den drei „Idealtypen“ militärischer Einsätze nach 1989 Demokratien stets „die aktiv treibende Kraft“ gewesen. Das gilt für „Weltordnungskriege“ wie den Golfkrieg 1990/91 für viele „humanitäre Interventionen“ wie im Kosovo 1999, sowie drittens für Kriege wie im Irak 2003 oder in Libyen 2011, die auf einen Regimewechsel abzielten. Anhand dieser Kriegschronik reduziere sich die Debatte über den demokratischen Pazifismus beinahe auf die Erörterung, warum es militantere und weniger militante Demokratien gebe.

Solche „demokratischen Kriege“ bezeugten jedenfalls die „Janusköpfigkeit der liberalen Idee“. Die internationale Ordnung souveräner Staaten solle durch die normativ begründete „Superstruktur“ der unipolaren Weltordnung ersetzt werden, die Demokratien legitimiere, zum Schutz der „Menschenrechte“ und des „Völkerrechts“ gegen „Schurkenstaaten“ oder „zerfallende Staaten“ militärisch vorzugehen. Zu den vielen Gefahren, die diese manichäische Weltsicht berge, zähle primär die Versuchung, profane Machtpolitik als „Zivilisierungsmission“ zu verschleiern. Solange eine derart exzessive Gewaltanwendung im Namen liberaler Ideen den weltpolitischen Alltag bestimme, dürfe man daher schon einmal neugierig fragen, ob es nicht sein könne, daß die gegenwärtige Staatenordnung „auf der gewaltgeladenen Durchsetzung von globalem Kapitalismus und Demokratie aufruht?“

Hoffnung schöpft der trotz allem von den „westlichen Werten“ überzeugte Heidelberger Friedensforscher angesichts so beunruhigender Befunde lediglich aus der Tatsache, daß das Drama der Weltpolitik „nicht überall gewaltsam verläuft“ und derzeit „mehr Frieden als Krieg herrscht“.

www.uni-heidelberg.de  › Ruperto Carola

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