© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Die Natur fordert ihren Tribut
Eine böhmische Nixe am Schweriner Teich: Dvoráks „Rusalka“ am Mecklenburgischen Staatstheater
Andreas Zöllner

Zum Ufer des Schweriner Sees hin bilden die antikischen Tempel der Gemäldegalerie und des Theaters ein großstädtisches Dekor. Was die Fassaden nach außen behaupten, wird im Inneren bestätigt. Die Gemäldegalerie birgt eine der größten Sammlungen niederländischer Malerei des 17. Jahrhunderts. Vor allem aber erweist sich die Mecklenburgische Staatskapelle als einer Landeshauptstadt würdig.

Vom ersten Takt an sind die Musiker unter der Leitung ihres Generalmusikdirektors Daniel Huppert sicher mittendrin in der Lieblichkeit und Leidenschaft von Antonín Dvořáks „Rusalka“. Die Geschichte um die Wasserjungfrau, die eine Menschenseele haben möchte und deren Liebe schließlich schwer enttäuscht wird, ist ein Dauerbrenner auf den Opernbühnen.

Die Inzenierung von Hendrik Müller überläßt dennoch nichts dem Selbstlauf. Er verzichtet ganz auf verwirrende Projektionen und unmotivierte Fahrten der Bühnenmaschinerie, wie wir sie so häufig zu sehen bekommen. Mit ganz einfachen Mitteln erzielt er große Wirkung und läßt dabei die Szene ganz von den Darstellern bestimmen. Die Wohnung des Wassermanns (Igor Storozhenko) am Grunde des Sees wird durch einen kniehohen Schilfgürtel angedeutet. Verschiedene Ausleuchtungen der großen Glasscheibe in der Tür lassen wechseln zwischen Spiegelung und Transparenz. Mal sieht sich Rusalka (Martá Kosztolányi) dem eigenen Abbild gegenüber. Ein andermal vollführen die Hexe Ježibaba (Itziar Lesaka) und der Jäger (Remo Tobiaz) vor der Tür einen beängstigenden Tanz. Sehnsucht und Bedrohung werden anschaulich entsprechend der Emotion der Musiksprache. Der Sänger-Darsteller bewegen sich dazu geschmeidig wie in einem Ballett. Tänzerisch gehen sie durch das Element der Musik wie die Nixen durch die Wasserfluten.

In der zeremoniellen Welt des Schlosses laufen Rusalkas Gefühle auf Grund. Die Menschenwelt erweist sich gegenüber dem reinen Naturwesen überlegen, weil sie Natur und Kultur in sich zu verbinden weiß. Doch nur auf den ersten Blick gelingt das. Denn die Natur fordert ihren Tribut und durchbricht die Fassade der Kultiviertheit. Die Verwandlung der Szene vollzieht sich rasch, indem Darsteller die schwarzen Bahnen herabreißen, welche die Wände verhüllen. Der dunkle Rahmen des Schlosses wandelt sich wieder in eine offene Szene. Für Bühne und Kostüm nimmt Alexandre Corazzola Anleihen aus der Epoche des Komponisten.

Das Mecklenburgische Staatstheater kann auf ein großartiges Sängerensemble zurückgreifen. Einziger Gast dieser Inszenierung ist Katrin Adel, welche die Rolle der fremden Fürstin mit Hoheit erfüllte. Steffen Schantz ist für die Rolle des Prinzen mit einem vollen wohlklingenden Tenor ausgestattet. Obwohl das Orchester sich gegenüber den Sängern wenig zurückhält, vermag er stets durchzudringen, ohne je zu laut zu werden. Mühelos geht er von zarter Ergriffenheit in stürmische Leidenschaft über. Und die schwierige rhythmische Versetzung seines Finales meistert er beispielhaft.

Dvořák führte seine Melodien parallel zur Eigenart der tschechischen Sprache. Dafür gibt es nur selten deutsche Silben von gleicher Zählung mit ähnlichem Sinngehalt. Besonders unstimmig zur Musik ist der Text bei Rusalkas „Lied an den Mond“. Doch das Staatstheater Schwerin ist ein Publikumstheater. Deshalb hat man sich für eine Abwendung von der homogenen Sprachmelodik des Originals und entgegen den heutigen Gepflogenheiten für eine revidierte deutsche Übersetzung entschieden. Nur Ježibaba darf ihren Zauberfluch in der Originalsprache ausstoßen. Doch die Verständlichkeit der Worte begünstigt die Anteilnahme an der Handlung.

Die nächsten„Rusalka“- Vorstellungen am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin, Alter Garten 2, finden statt am 28. November und 26. Dezember 2014 sowie am 9. und 16. Januar 2015. Kartentelefon: 0385 / 53 00-123. www.theater-schwerin.de

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