© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

„Wir sind keine Rassisten“
Italien: Zustrom von Flüchtlingen, Roma und illegalen Migranten setzt Kommunen unter Druck
Paola Bernardi

Papa Francesco, komm nach Tor Sapienza, hier herrscht Krieg zwischen den Armen und Ärmsten“, kreischt ein Chor von Hausfrauen. Männer ballen ihre Fäuste, Schreie und Flüche steigen gen Himmel. Steine fliegen durch die Luft. Bilder, wie die Römer bisher eher von Straßenschlachten vor oder nach Fußballspielen gewohnt waren.

Diese Szenen spielen sich derzeit fast täglich an der Peripherie von Rom ab. In den Problemvierteln wie Tor Sapienza, Magliana oder Collatina herrschen offener Aufruhr und Haß zwischen den Anwohnern und den Einwanderern.

Das, was Soziologen angesichts der diesjährigen Rekordzahl von 150.000 illegalen Migranten längst vorausgesehen haben, nämlich daß ein veritabler Kampf zwischen den Bewohnern und den Neuankömmlingen sich irgendwann entfachen könnte, hat hier schon begonnen. Nachdem sich die finanzielle und soziale Situation in Italien in den vergangenen zwei Jahren dramatisch verschlechtert hat, bedurfte es nur eines winzigen Auslösers, und der Brand war entfacht.

In Tor Sapienza, am östlichen Stadtrand Roms, wo sich gewaltige Mietskasernen erheben, ausgerechnet hier richtete die Stadtverwaltung ein Camp für Roma ein – ein zweites illegales Lager haben sich die Roma dort selbst geschaffen. Der soziale Frieden ist seitdem vorbei. Diebstähle, Überfälle von farbigen Einwanderern, Prostitution und Drogenhandel sind hier längst Alltag. Wenn es dunkel wird, wagt sich kaum ein Anwohner auf die Straße.

Eskalation der Gewalt in Roms Vorstädten

Der Funke sprang über, als die Stadtverwaltung siebzig farbige Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren in den Blocks einquartierte. Ein kurzer Wortwechsel zwischen einem Jugendlichen und einer Römerin war dann der Auslöser. Ein vermummter Mob überfiel das Heim. Autos und Müllcontainer wurden in Brand gesetzt. Scheiben gingen zu Bruch, Parolen wie „Rom gehört den Italienern“ wurden gebrüllt, und manche Beobachter wollen auch gehört haben: „Es lebe der Duce.“

Auf Anweisung des Bürgermeisters wurden die Jugendlichen in einer Nacht- und-Nebel-Aktion in ein anderes Heim in einem anderen Stadtteil gebracht, doch dort kam es ebenfalls zum Aufruhr. Der amtierende Bürgermeister mußte unter Polizeischutz fluchtartig seinen Besuch abbrechen.

Seitdem streitet die Politik. Italiens Innenminister Angelino Alfano wirft der Stadtverwaltung eklatantes Versagen vor. Der Europaabgeordnete der Lega Nord, Mario Borghezio, zeigte sich dagegen solidarisch mit den Bewohnern. „Die Multikulti-Politik ist gescheitert“, rief er ihnen auf einer Veranstaltung zu und versprach, hier künftig eine Wohnung anzumieten. Und der linke Bezirksbürgermeister fleht: „Nehmt die Flüchtlinge weg, es sind zu viele. Wir sind keine Rassisten.“ Ein einsamer Hilfeschrei. Denn in Rom gibt es allein sieben Aufnahmelager, ferner zwölf offizielle und sieben inoffizielle Camps für Zigeuner.

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