© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Medienkrise und Propaganda
Rätsel Jürgen Elsässer
Dieter Stein

Das erste Opfer in einem Krieg ist die Wahrheit, heißt eine alte Weisheit. Wer ist Täter, wer ist Opfer in einem Konflikt wie dem Krieg in der Ukraine? Das Mißtrauen gegenüber Medien hat gerade im Zuge dieser eskalierenden Krise zugenommen. Haben sich Tageszeitungen und öffentlich-rechtliche Sender zu willigen Vollstreckern der USA und der Nato machen lassen? Oder sind reihenweise Journalisten regelrecht gekauft und von Geheimdiensten abhängig, wie es Udo Ulfkotte unterstellt?

Tatsächlich versuchen alle geopolitischen Akteure über Netzwerke, über Öffentlichkeitsarbeit, über Nichtregierungsorganisationen den Boden für die eigenen Interessen zu bereiten. Es ist wenig überraschend, wenn die USA, die 2013 mit 640 Milliarden Dollar über einen achtmal so großen Militärhaushalt verfügten wie Rußland, auch auf dem Feld der Informationsbeeinflussung die Nase vorn haben. Sicherheitsexperten registrieren jedoch seit einigen Jahren, daß auch Moskau seine Aktivitäten auf diesem Feld massiv ausweitet.

Gerade in den heißen Phasen von Konflikten wird das Trommelfeuer von Propaganda und Desinformation erhöht. In unguter Erinnerung sind die im Vorfeld des Zweiten Irakkrieges von den USA verbreiteten Lügen über Massenvernichtungswaffen des Diktators Saddam Hussein.

Medien haben hier oft unkritisch Desinformation weiterverbreitet. Es ist richtig, daß sich deshalb nicht nur Politiker, sondern auch Journalisten härteste Fragen gefallen lassen müssen. Das Internet übt dabei eine starke Kontrollfunktion aus – umgekehrt explodiert besonders dort eine Szene, die nun hinter jedem Ereignis die finsteren Machenschaften der CIA oder des Mossad wittern. Dem Publikum wird eingeflüstert, wir würden rund um die Uhr ferngesteuert. Deutschland sei nur noch ein willenloses Rädchen im Getriebe allmächtiger Netzwerke. Es tobt ein wilder Überbietungskampf um die absurdesten Enthüllungsgeschichten.

Einer der umtriebigen Gurus dieser Szene ist Jürgen Elsässer. Der einst linksextreme K-Gruppen-Aktivist, der stolz ist, den Slogan „Nie wieder Deutschland“ für linke Demonstrationen gegen die Wiedervereinigung 1990 geschaffen zu haben, tourt jetzt als Verteidiger „nationaler Interessen“ durchs Land. So aggressiv, wie er einst die eigene Nation bekämpfte, wettert er jetzt als wackerer Patriot gegen „Nato-Faschisten“ in Kiew, ruft „Ami go home“ und seift konservative Christen, Hooligans oder AfD-Politiker ein, sich vor seine groteske Politshow spannen zu lassen.

JF-Reporter Hinrich Rohbohm hat sich auf eine Spurensuche zu diesem schillernden Chamäleon begeben (siehe Seite 7). Kritischen Fragen zu seinen Zielen und seinen erstaunlichen politischen Wandlungen verweigerte er sich. Sein proklamierter „Mut zur Wahrheit“ kennt Grenzen.

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