© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

Schnappatmung über die Lohnschreiber
Udo Ulfkotte liefert Innenansichten zu den Abhängigkeiten von deutschen „Qualitätsjournalisten“
Thorsten Hinz

Mit seinem neuen Buch hat der Journalist Udo Ulfkotte eine Breitseite gegen die sogenannten Qualitätsmedien abgefeuert, namentlich gegen die schon leckgeschlagene FAZ. Von 1986 bis 2003 hatte er in ihrer Auslandsredaktion gearbeitet und war für Kriegsberichterstattung und Geheimdienste zuständig gewesen. Titel und Untertitel lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig und nehmen Diktion und Gestus des Buches vorweg.

Die aktuelle Pressekrise umfaßt viel mehr als die desolate wirtschaftliche Lage – der Journalismus als solcher steht in Frage. Bei jedem meinungsstarken Kommentar und selbst bei scheinbar objektiv berichtenden Artikeln fragt der Leser sich mittlerweile, welche verborgenen Interessen der Verfasser transportiert, welche Instanz ihn beauftragt hat, welche Existenzängste ihn plagen. Ulfkottes Buch trifft also den Nerv der Zeit. Dafür spricht auch der Verkaufserfolg, den er trotz nur zaghafter Resonanz in Form von Rezensionen erzielt.

In der Sache knüpft er an die Untersuchung „Meinungsmacht“ des Medienwissenschaftlers Uwe Krüger an (JF 22/13). Krüger hatte nachgewiesen, daß die in den Leitmedien tätigen außenpolitischen „Alpha-Journalisten“ eng mit transatlantischen Netzwerken verbunden sind und Positionen vertreten, die in Washington, Brüssel und in diversen Geheimzirkeln vorformuliert werden. Ulfkotte will nun den Außenblick des Wissenschaftlers durch seine Binnenperspektive komplettieren. Er bekennt, das Täuschungsgeschäft jahrelang mitbetrieben zu haben und sich dafür zu schämen.

Ulfkotte schöpft aus dem Schatz persönlicher Erfahrungen und Anschauungen. Er zeigt, daß Käuflichkeit nicht zwingend eine Frage des Geldes, sondern auch des Prestiges ist. Als Junge aus bescheidenen Verhältnissen fühlte er sich durch die Aufnahme in den Kreis der „eitlen FAZkes“ erhoben und geehrt. Der Bundeskanzler kam zu Hintergrundgesprächen ins Haus, Verlage schickten tonnenweise ihre Rezensionsexemplare, ohne daß man sie bitten mußte. Das waren Gründe, sich neben der publizistischen auch als Teil der politischen Machtelite zu wähnen, ohne sich darüber Rechenschaft abzulegen, was das für die journalistische Unabhängigkeit bedeutete.

Neben den moralischen genoß er auch materielle Privilegien. Bei einem Besuch in Oman wurde er vom Sultan mit Luxus überschüttet in der – richtigen – Erwartung, eine gute Presse zu bekommen. Auf Auslandsreisen wurde er von Botschaftern oder Politikern auf die Interessen der Bundesrepublik hingewiesen, die in der Berichterstattung bitte zu beachten seien. Die Mitteilung, daß die Brüsseler Bürokratie sich mit PR-Geldern Journalisten gefügig hält, ist keine Überraschung, erklärt aber die Begeisterung, in die Medien über die „Preußen des Balkans“ verfielen, als Bulgarien und Rumänien gegen alle Bedenken in die EU aufgenommen wurden. Ulfkotte erinnert an den 8. Oktober 2008, als die Kanzlerin führende Verlagschefs und Chefredakteure zu sich lud und sie bat, aus Gründen der Staatsräson die Dimension der Finanzkrise herunterzuspielen. Dem wurde prompt entsprochen.

Loyalitäten durch Geld oder Ehrungen erkauft

Entscheidend aber ist die Einflußnahme aus den USA, die maßgeblich über die Atlantik-Brücke erfolgt. Dank Wikileaks kann Ulfkotte Krügers Buch ergänzen. Es steht für ihn außer Frage, daß US-Geheimdienste die Meinungsbildung in Europa und Deutschland massiv beeinflussen. Als Schaltstellen nennt er unter anderem das Berliner Aspen-Institut und den German Marshall Fund, die ihrerseits mit US-Geheimdiensten kooperieren. Bei einer Reise durch die USA habe der Marshall Fund ihn mit Bargeld und diversen Gefälligkeiten versehen, aus denen er schließen konnte, daß die Amerikaner auch über seine in Oman erhaltenen Zuwendungen informiert waren. Der Gouverneur von Oklahoma verlieh ihm bei der Gelegenheit die Ehrenbürgerschaft seines Bundesstaates. So schafft man Loyalitäten!

Ulfkotte nennt Namen, angefangen beim ZDF-Moderator Claus Kleber, der sich als besonders eifriger Propagandist der US-Außenpolitik betätigt, bis Klaus-Dieter Frankenberger, der bei der FAZ für Außenpolitik zuständig ist und zum Anzug gern Cowboystiefel trägt. Für Ulfkotte war das Maß voll, als ein hochrangiger CDU-Politiker aus Rheinland-Pfalz ihm vor Zeugen Geld dafür bot, das Eheleben des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Beck auszuspionieren. In diesem Moment begriff er, daß er sich in einem Morast bewegte.

Störend sind das Fehlen einer sinnvollen Gliederung und die durchweg aufgeregte Sprache. Gleich auf der ersten Seite ist von den „Irren in den Leitmedien“ die Rede. Allerlei Vorwürfe bleiben unbewiesene Unterstellung. So attackiert er den für Wirtschaft zuständigen und zweifellos fähigen FAZ-Herausgeber Holger Steltz-ner wegen dessen Mitgliedschaft in der Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung. Offenbar hat Ulfkotte von Hayek keine Zeile gelesen. Er behilft sich mit einer Polemik aus dem Cicero, die den berühmten Ökonom als perfiden Demokratiefeind abhandelt, und verfällt dann in Schnapp-atmung: „Kann man das als führender deutscher Journalist unterstützen? Welche Lobbyarbeit betreibt man dann? Sieht so unabhängiger Journalismus aus? Kann man dann noch frei berichten?“

Gegenfrage: Warum denn nicht? Uwe Krüger hatte in „Meinungsmacht“ nachgewiesen, daß bestimmte Journalisten die Positionen der supranationalen Netzwerke, denen sie angehören, übernehmen und propagieren, ohne auf deren Herkunft zu verweisen. Sie verleihen also dem lancierten Fremdinteresse den Anschein einer neutralen journalistischen Erkenntnis und der objektiven Evidenz. Wo hätte Steltzner sich vergleichbar am journalistischen Ethos vergangen? Da Ulfkotte kein Interesse an analytischer Feinarbeit hat, bleibt der Leser hier sich selbst überlassen.

Dennoch lohnt die Lektüre. Die Krise der Medien hat offenbart, daß selbst der hochdotierte „Qualitätsjournalist“ nichts weiter ist als ein doppelt freier Lohnarbeiter: Er ist so frei, seine Arbeitskraft verkaufen zu dürfen, doch weil er auch frei ist von Eigentum, das es ihm gestatten würde, daraus den Lebensunterhalt zu bestreiten, ist seine Verkaufsfreiheit in Wahrheit ein Muß. Wozu das führen kann, dafür liefert Ulfkotte einige besonders abstoßende Beispiele.

Udo Ulfkotte: Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken. Kopp Verlag, Rottenburg 2014, gebunden, 336 Seiten. 22,95 Euro

Foto: Mikrophone verschiedener Sender bei Pressekonferenz der RWE AG in Leverkusen: Ulfkottes Angriff gegen die „Irren in den Leitmedien“

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