© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Es geschah am 9. November 1989
Ein chronologischer Überblick der Ereignisse am Tag des Mauerfalls in Berlin – im Uhrzeigersinn zu lesen

09:00

Die neue Reiseregelung

Im Ostberliner Ministerium des Innern trifft sich eine Arbeitsgruppe aus Mitarbeitern dieses Hauses sowie des Ministeriums für Staatssicherheit, um im Auftrag des SED-Politbüros einen Ministerratsbeschluß für die ständige Ausreise aus der DDR zu erarbeiten. Darin heißt es: „Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt.“ Dies soll am Freitag, dem 10. November, 4 Uhr, veröffentlicht werden.

10:00

Die SED-Spitze tagt

Beginn der Tagung des Zentralkomitees (ZK) der SED.

12:00

Der Entwurf wird vorgelegt ...

In einer Pause bestätigen Mitglieder des Politbüros den von den Experten erarbeiteten Entwurf für die Reiseregelung. Offiziere der Volkspolizei und der Stasi feilen an einer „Durchführungsverordnung“.

16:00

... und verlesen

SED-Generalsekretär Egon Krenz verliest im ZK den Reiseregelungs-Entwurf.

17:30

Schabowski übernimmt

Krenz händigt diesen Entwurf als Beschlußvorlage des Ministerrats sowie eine dazugehörige Pressemitteilung dem Pressesprecher des ZK, Günter Schabowski, aus.

18:00

Eine Pressekonferenz ...

Beginn der Pressekonferenz im Internationalen Pressezentrum mit Günter Schabowski, der über die Ergebnisse der Politbürositzung am Nachmittag informiert.

18:53

... und die entscheidende Frage

Kurz vor Ende der Pressekonferenz fragt der italienische Journalist Riccardo Ehrman nach, ob der Entwurf des Reisegesetzes vom 6. November nicht ein Fehler gewesen sei. Schabowski antwortet unter anderem: „Und deshalb haben wir uns dazu entschlossen, heute eine Regelung zu treffen, die es jedem Bürger der DDR möglich macht, über Grenzübergangspunkte der DDR auszureisen. ... Also, Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen, Reiseanlässen und Verwandtschaftsverhältnissen beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt ... Das tritt nach meiner Kenntnis, ähh, ist das sofort, unverzüglich.“

19:05

Eine Meldung macht sich auf den Weg ...

Die DDR-Nachrichtenagentur verbreitet Einzelheiten der von Schabowski verkündeten Reiseregelung. Die westliche Agentur AP verbreitet als Eilmeldung: „DDR öffnet Grenze“. Unter derselben Schlagzeile beginnt um 20 Uhr die Tagesschau in der ARD.

20:15

... und hat Folgen

An den Grenzübergängen Bornholmer Straße, Invalidenstraße und Sonnenallee versammeln sich auf Ostberliner Seite die ersten Menschen.

20:30

Der Druck steigt ...

Am Übergang Bornholmer Straße fordert die Menge die Öffnung der Grenze. Die Situation spitzt sich zu, die diensthabenden Grenzsoldaten haben bisher keinen Befehl zur Öffnung der Grenze erhalten, und die Menge vor dem Grenzübergang ruft: „Tor auf! Tor auf“. Gegen 21 Uhr sind dort bereits mehr als 1.000 Menschen.

21:20

... und steigt

Der stellvertretende Leiter der Paßkontrolleinheit an der Bornholmer Straße, Stasi-Oberstleutnant Harald Jäger, genehmigt einem Teil der Wartenden die Ausreise. Ohne deren Kenntnis wurde in ihrem Paß vermerkt, daß sie als Ausgebürgerte nicht in die DDR zurückkehren dürften.

22:00

Oben wird nichts entschieden ...

Der Chef des Ministeriums für Staatssicherheit, Erich Mielke, unterrichtet Krenz über die Lage. Der entscheidet, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

23:00

... unten aber schon

Unter dem Druck der Menschenmasse öffnet Oberstleutnant Jäger, ohne daß er dazu einen Befehl hat, an der Bornholmer Straße den Schlagbaum. Tausende strömen gen Westen.

00:00

Die Mauer ist offen ...

Am Checkpoint Charlie gibt der Kommandant auf Ostberliner Seite den Befehl, die Tore zu öffnen. Kurz nach Mitternacht heißt es im Lagebericht der Volkspolizei, daß alle Übergänge an der Sektorengrenze geöffnet seien.

01:00

... und die Freude unbeschreiblich

Tausende West- und Ostberliner überwinden die Mauer am Brandenburger Tor, gehen durch das Tor und tanzen vor Freude auf der Mauer. Die ersten „Mauerspechte“ bearbeiten den Beton auf der Westseite mit Hämmern und Meißeln. Ost-Berliner strömen zum Kurfürstendamm.

Die Nachrichten von Radio DDR I melden unter Berufung auf das Innenministerium, daß die Grenze „als Übergangsregelung“ bis zum Morgen, 8 Uhr, unter Vorlage des Personalausweises passiert werden könne.

Die politische sowie die militärische Führungsspitze der DDR tritt in dieser Nacht öffentlich nicht in Erscheinung.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen