© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Aus den Stadien auf die Straße
„Hooligans gegen Salafisten“: Die Demonstrationen gewaltbereiter Fußballanhänger sind die Folge verschärfter Sicherheitsvorkehrungen
Christian Schreiber

Am Wochenende meldeten sich schließlich die Betroffenen zu Wort. In einer Erklärung verkündeten die „Hooligans gegen Salafisten (HoGeSa)“, daß die Demonstration in Köln Ende Oktober (JF 45/14) „nicht optimal gelaufen ist“. Abgesehen von einer vagen „Entschuldigung bei Betroffenen“ blieb die Mitteilung wenig aussagekräftig. Immerhin erklärten die Verantwortlichen, daß sie nichts mit einer geplanten Demonstration in Berlin zu tun haben wollen.

„Wir distanzieren uns von dieser Demo, denn es wird zu Gewalt aufgerufen. Rechte Gruppen, wie zum Beispiel die NPD, haben dazu aufgerufen. Wir, die HoGeSa, lehnen bei unseren Veranstaltungen prinzipiell andere Parteien ab.“ Wenig später teilten dann auch die Sicherheitsbehörden in der Hauptstadt mit, daß ein geplanter Aufmarsch am 15. November abgesagt worden sei. Das bedeute: „Es gibt für Berlin keine angemeldete Hooligan-Demonstration“, erklärte ein Sprecher der Berliner Polizei.

Videoüberwachung und Tickets mit Namen

Auch eine Aktion in Hamburg, die ebenfalls am 15. November stattfinden sollte, wurde am Wochenende abgeblasen. Ausschlaggebend hierfür waren offenkundig Meinungsverschiedenheiten innerhalb der HoGeSa-Bewegung. Die Hansestadt sei eine Hochburg der Antifa und der Autonomen Szene, „man kann die Aktivisten da nicht ins offene Messer laufen lassen“, heißt es in einem im Internet veröffentlichten Schreiben. Statt dessen wollen die Hooligans nun in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover demonstrieren.

Ein Mann aus Nordrhein-Westfalen habe für den 15. November eine Versammlung unter dem Motto „Europa gegen den Terror des Islamismus“ angemeldet, teilte das Innenministerium mit. Man erwarte eine ähnliche Teilnehmerzahl wie in Köln, wo sich rund 4.500 Hooligans versammelt hatten. Spätestens seit der Demo in der Domstadt ist HoGeSa in aller Munde. Der Berliner Innensenator Frank Henkel hatte von „erschreckenden Bildern gesprochen, die er in der Hauptstadt auf keinen Fall sehen“ wolle.

Doch Gruppierungen wie HoGeSa sind nur schwer zu fassen, verfügen sie doch über keine festen Organisationsstrukturen. Über die Drahtzieher und Hintermänner wird seit dem Kölner Auftritt munter spekuliert. Fest steht, daß der Anmelder der Veranstaltung, Dominik Roeseler, aus dem Umfeld der Hooligan-Szene von Borussia Mönchengladbach stammt. Er sitzt seit der Kommunalwahl im Juni im Stadtrat und ist stellvertretender Vorsitzender der islamkritischen Regionalpartei Pro NRW: Deren Vorsitzender Markus Beisicht sah sich eilig zu einer Distanzierung gezwungen, und sein Stellvertreter verkündete daraufhin seinen Rückzug aus der HogeSa. Auf ihrer Facebook-Seite distanziert sich die Gruppierung seit Wochen von politischer Vereinnahmung. Fakt ist, daß es sich bei Hooligans um gewaltsuchende Fußball-Fans handelt, die in den vergangenen Jahren aus der Öffentlichkeit verschwunden schienen. Szene-Kenner bezeichnen sie als „eigentlich unpolitisch“, tatsächlich gibt es aber partiell Überschneidungen mit der militanten rechtsextremen Szene. So war in Köln auch der als „SS-Siggi“ bekannte Alt-Hooligan Siegfried Borchardt anwesend, der für die Kleinstpartei „Die Rechte“ im Stadtrat saß und der Anführer der berüchtigten Borussenfront war, die in den achtziger Jahren für zahlreiche Ausschreitungen im Umfeld von Fußballspielen verantwortlich zeichnete.

Aufgrund immer stärkerer Sicherheitsvorkehrungen in Bundesligastadien, die von Videoüberwachung bis hin zu namentlich ausgestellten Tickets gehen, wurde die aktive Hooligan-Szene aus der ersten Reihe verdrängt. Mit den Demonstrationen gegen den militanten Islamismus hat die Szene nun eine Möglichkeit gefunden, sich wieder öffentlich zu präsentieren. Die Strukturen der einzelnen Gruppierungen sind dabei schwer zu überblicken. Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze geht von rund 4.000 organisierten Hooligans aus, weitere 13.000 würden teilweise mit diesen Gruppen sympathisieren. Politisch motiviert sei nur ein geringer Teil.

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