© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Alphamännchen für Deutschland
AfD: Nach dem Streit zwischen Henkel und Gauland über den Kurs der Partei ist der Vorstand um Schadensbegrenzung bemüht
Marcus Schmidt

Das war knapp. Von einer Spaltung des Vorstandes war am Wochenende die Rede und davon, daß Hans-Olaf Henkel kurz davor gewesen sei, das Handtuch zu schmeißen. Wie immer bei solchen öffentlich ausgetragenen Auseinandersetzungen vernebeln eine Menge Gerüchte und Mißverständnisse die klare Sicht auf die Geschehnisse. Eins aber ist zumindest gewiß: Es hat in der AfD-Spitze kräftig gekracht.

Entzündet hatte sich der Streit an Interviewäußerungen Henkels über „Ideologen, Goldgräber, Karrieristen“ in der AfD. „Da sitzt man auf einem Parteitag und hört irgendwelche wilden Verschwörungstheorien. Ich werde dann ganz klein und schäme mich in Grund und Boden“, sagte Henkel der Zeit. Daraufhin war der AfD-Vize von seinem Vorstandskollegen Alexander Gauland scharf angegangen worden. In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, Gauland lege Henkel den Austritt nahe. Nach einer eilig angesetzten Telefonkonferenz des AfD-Vorstandes folgte das Dementi. „Ich hatte nie die Absicht, mit meiner Kritik an öffentlichen Stellungnahmen meines Vorstandskollegen Hans-Olaf Henkel diesen aus der Partei zu drängen“, sagte Gauland.

„Wenn jemand spinnt, dann spinnt er eben“

Sowohl Henkel als auch Gauland stehen mit ihren Positionen in der Partei nicht alleine. Henkel habe nur das laut ausgesprochen, was auch andere denken, heißt es von der einen Seite. Gauland wiederum sei mit seinem Wutausbruch nur anderen zuvorgekommen, lautet eine weitere Deutung. Der Riß geht nicht nur durch den Vorstand. Er geht durch die Partei.

Ein bißchen wirken die wiederkehrenden Auseinandersetzungen zwischen Henkel und Gauland dabei wie das bekannte Spiel „guter Bulle, böser Bulle“. Hier der liberale und weltmännische Henkel, der als Galionsfigur der Hamburger AfD dabei helfen soll, im Februar in die Bürgerschaft einzuziehen. Und auf der anderen Seite der ehemalige CDU-Politiker Gauland, der mit einem deutlich konservativen Kurs die Befindlichkeiten der Wähler im Osten bedient. Bei einem Streit zwischen den beiden Alphamännchen kommen also eigentlich beide Parteiflügel auf ihre Kosten. Trotzdem droht der AfD hier Gefahr.

Denn der Konflikt, der nur oberflächlich beigelegt ist und jederzeit wieder aufflammen kann, ist kein taktisches Geplänkel sondern grundsätzlicher Natur. Im Kern geht es um die künftige Positionierung der AfD. Entwickelt sie sich die Partei zu einer wirtschaftspolitisch orientierten Partei, die das Erbe der FDP antritt, wie es dem Liberalen Henkel vorschwebt? Dieser hat nicht erst durch seine Interview-Äußerungen deutlich gemacht, daß er mit bestimmten Teilen der Partei fremdelt. Hierzu zählen vor allem jene Mitglieder, die im weitesten Sinne als Frustrierte oder Wutbürger charakterisiert werden können. Gauland wirft sich dagegen gerade für diesen Teil der Partei in die Bresche und warnt davor, unbequeme Mitglieder aus der AfD herausdrängen zu wollen. „Ich will keine erneuerte CDU oder FDP, sondern ich möchte auch die Mitglieder mitnehmen, die bisher von den Medien ausgegrenzt werden“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. „Wenn jemand spinnt, dann spinnt er eben“, warb Gauland für Toleranz.

Schon am Wochenende droht die nächste Auseinandersetzung in diesem Streit. Bei der Vorstandsklausur der AfD in Regensburg steht das Thema wieder auf der Tagesordnung. Spätestens dann stellt sich die Frage: Wer legt eigentlich fest, ob jemand ein „Querulant oder Verschwörungstheoretiker“ ist und der AfD daher künftig nicht mehr angehören darf?

Und noch ein Problem wird den AfD-Vorstand auf seiner Klausur beschäftigen. In der Parteispitze gibt es weiter Vorbehalte dagegen, daß die stellvertretende AfD-Sprecherin Patricia Casale für den Europaabgeordneten Marcus Pretzell als Regionalreferentin tätig ist. Der Streit um die Anstellung Casales hatte bereits zum Rücktritt Pretzells aus dem Vorstand geführt. Die AfD-Spitze hatte die beiden zuvor aufgefordert, den möglichen Interessenkonflikt, der durch die Beschäftigung eines Vorstandsmitgliedes durch ein anderes entstehen könnte, zu lösen. Doch auch nach dem Rücktritt des nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Pretzell aus dem Vorstand ist die Kritik nicht verstummt. Henkel hat sich aus Protest sogar weitgehend aus der Vorstandsarbeit zurückgezogen.

Nach wie vor bestehe ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Casale und Pretzell, kritisieren einige Mitglieder des Vorstandes. Dadurch werde eine offene Diskussion in dem Gremium verhindert. Der unausgesprochene Vorwurf dahinter: Casale könne sich verpflichtet fühlen, Pretzell über Inhalte der Vorstandssitzungen zu informieren. Von Casale als Pretzells „Strohfrau“ oder gar dessen „Bauchrednerin“ ist in diesem Zusammenhang die Rede.

Patricia Casale weist diese Vorwürfe entschieden zurück und schloß einen Rücktritt aus. Es gebe keinen Interessenkonflikt zwischen ihrer Arbeit im Vorstand und ihrer Tätigkeit als Regionalreferentin. „Wir haben schließlich alle das gleiche Interesse: den Erfolg der AfD“, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. Sie verwies zudem darauf, daß die Sitzungen des Vorstandes vertraulich seien. Daran habe sie sich immer gehalten und daran werde sie sich auch in Zukunft halten. Ihren Kritikern riet sie, die Kirche im Dorf zu lassen. „Marcus Pretzell ist schließlich nicht Martin Schulz“, sagte sie und warb gleichzeitig um Verständnis. Bis zu ihrer Wahl in den Bundesvorstand habe sie als Buchhalterin gearbeitet, dann habe ihr der Arbeitgeber wegen ihres Engagements für die AfD gekündigt. „Versuchen Sie einmal, als Mitglied des AfD-Vorstandes einen Job zu bekommen“, sagt Casale. Sie sei daher auf die Stelle als Regionalreferentin angewiesen.

Schon jetzt ist abzusehen, daß die eigentlich geplante inhaltliche Diskussion auf der Vorstandsklausur auf der Strecke bleiben dürfte. Dabei scheint eine Positionsbestimmung der Euro-Kritiker etwa in der Asylpolitik angesichts der wachsenden Flüchtlingswelle dringend geboten. Erst kürzlich hatte das Meinunsgforschungsinstitut Allensbach der Partei bei diesem Thema ein großes Potential bei den Wählern bescheinigt.

Kommentar Seite 2

Foto: Alexander Gauland, Hans-Olaf Henkel und Bernd Lucke (v.l.): Inhaltliche Arbeit bleibt auf der Strecke

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