© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Ausflug in den Intrigantenstadl
Susanne Gaschke und die dunkle Seite der Macht
Thorsten Hinz

Die ehemalige Zeit-Redakteurin und SPD-Frau Susanne Gaschke wagte das „volle Risko“ und wechselte im Dezember 2012 als direkt gewählte Oberbürgermeisterin ins Kieler Rathaus. Sie hatte es unterschätzt. Nur zehn Monate später trat sie zurück, nervlich und körperlich zermürbt von Anwürfen aus der Lokal- und Landespolitik, von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und dem Dauerbeschuß der Lokalpresse. Gaschke hatte das jahrelange Tauziehen mit einem millionenschweren Steuerschuldner durch einen Vergleich zu beenden versucht. Dabei waren ihr Anfängerfehler unterlaufen, die zum Skandal aufgebauscht wurden und zum Vorwurf der Untreue und Nötigung führten. Geblieben ist davon nichts.

Bundesweit bekannt wurde die Angelegenheit durch ihren tränenreichen Auftritt vor dem Kieler Stadtparlament. Der war auch deshalb bemerkenswert, weil Gaschke als Journalistin die JUNGE FREIHEIT und alles, was sie für rechts hielt, besonders bissig kommentiert und ihre Kommentare oft mit dem Vorwurf der „Weinerlichkeit“ gewürzt hatte. Am Ende war sie es, die weinte.

Ein Grund zu Schadenfreude ist das nicht, denn die Kieler Erfahrungen, die sie im Buch beschreibt, sind hier gut bekannt und Anlaß zum Mitgefühl: der Machtmißbrauch durch Ministerien und Behörden, die Politisierung der Justiz, der schmatzende Hohn der Presse, die Illoyalität vermeintlicher Parteifreunde – in ihrem Fall des amtierenden Ministerpräsidenten Torsten Albig und des ehemaligen Innenministers von Schleswig-Holstein Andreas Breitner. Bald ging es nicht mehr um Argumente, Aufklärung und die Rechtslage, sondern um die soziale und psychische Zerstörung ihrer Person.

Die Einblicke in den Politikbetrieb, die Gaschke sprachlich versiert mitteilt, sind schauerlich, ihre Vorschläge für seine Reform dagegen belanglos. Am Ende bleibt sie befangen in der von ihr als absurd beschriebenen Systemimmanenz.

Künftig will sie als freie Journalistin arbeiten. Sie kennt jetzt die Auswirkungen des engagierten Schreibtischsadismus, den sie früher allzu gern versprühte, und die geläuterte Gaschke will ihn künftig vermeiden. Auf ihren neuen Ton darf man gespannt sein.

Susanne Gaschke: Volles Risiko. Was es bedeutet, in die Politik zu gehen. DVA, München 2014, gebunden, 254 Seiten, 19,99 Euro

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