© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Blick in die Medien
Zuviel Hokus-Focus
Tobias Dahlbrügge

Die aggressive Bettelei nach Klicks führt zu einer zunehmenden Boulevardisierung von Online-Medien. Ein besonders negatives Beispiel liefert der Focus. Der Internetauftritt wird mit immer mehr Informationsmüll zugepflastert, der die Qualität als Nachrichtenportal stark herabzieht.

„Nachrichten“ wie „Model verliert Höschen auf dem Catwalk“ oder „Flirt-Verbot für Obama“ gehören nicht auf die Startseite, sondern bestenfalls in die Panorama-Rubrik. Nein, es interessiert mich nicht, mit welchen zehn simplen Tricks ich meinen Bauch los werde und ich will auch nicht sehen, wie süß das kleine Kätzchen im Video gucken kann. Ich suche Meldungen!

Nein, es interessiert mich nicht, mit welchen zehn simplen Tricks ich meinen Bauch los werde.

Eine weitere Masche, höhere Zugriffszahlen zum Beeindrucken der Werbekunden zu generieren, besteht in den unsinnigen Live-Tickern, die in Hochfrequenz mit Nichtigkeiten gefüllt werden. Dann werden über Wochen sämtliche Kommentare zum Ticker in einem Thread gesammelt und – voilà – hat der Beitrag fünfhundertsoundsoviel Lesermeinungen, was in der Meistkommentiert-Spalte natürlich imposant wirkt.

Das Phänomen, daß der regelmäßig wiederkehrende Konsumartikel „Die 50 besten Handys“ jedesmal mit haushohem Abstand tagelang der meistkommentierte Beitrag ist, deutet darauf hin, daß die sogenannten Lesermeinungen von PR-Agenturen im Akkord getextet und eingestellt werden.

Den Vogel schoß der Focus mit einer Eilmeldung ab, die am 21. Oktober in Signalgelb animiert über die Startseite wanderte: Mitarbeiter des Aachener Klinikums haben Selfies mit Patienten aufgenommen und über What’s App versendet. Dieselbe Sack-Reis-Meldung hatte die Aachener Lokalzeitung bereits vier Tage zuvor groß aufgemacht.

Nach einem Nachrichtenportal sieht der Focus im Netz inzwischen kaum noch aus. Der Auftritt erinnert eher an Bild Online, deren Politik-Rubrik überwiegend aus Sexbeichten von Parlamentariern besteht.

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