© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Eine Wahl, die spaltet statt versöhnt
Ukraine: Die Regierung um Poroschenko sieht ihren Westkurs bestätigt
Billy Six

Allenfalls als Landstraße würden deutsche Besucher die Autobahn von Polen in die ukrainische Hauptstadt Kiew bezeichnen. Lkw-Fahrer Oleksandr donnert ohne Pause mit seiner Fracht aus England heim ins ostukrainische Charkow. „Der Polizei ist alles egal“, sagt er, „die wollen nur Geld.“ Daß östlich von Kiew die gut ausgebaute Asphaltstraße beginnt, weist auf die alte Prioritätensetzung – den industrialisierten Osten, die Bindung an Rußland. Damit ist es jetzt vorbei: Um Kiew stehen große Transparente, die Präsident Putin als „Schwanzgesicht“ titulieren.

Mit Abschluß der vorgezogenen Parlamentswahl am vergangenen Sonntag wurden nun auch zahlreiche Abgeordnete aus der Zeit des gestürzten prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch aus dem Politikgeschäft verdrängt. „Drei Viertel der Wähler“ hätten für den Westkurs der Ukraine gestimmt, so Präsident Poroschenko.

Amtliche Zahlen sollen erst nächste Woche vorliegen. Doch die Prognosen sehen den Einzug von sieben Parteien voraus. Der Block Poroschenko schnitt demnach deutlich schwächer ab als erwartet: 23 Prozent. Gleichauf die Volksfront von Ministerpräsident Jazenjuk.

Der 40jährige, der sich während des Maidan-Aufstands als Repräsentant der Opposition in Szene setzte, steht für EU-Beitritt und wirtschaftsliberale Reformen. Erst im September vollzog er mit einer Parteineugründung den Bruch zu Ex-Ministerpräsidentin Timoschenko, deren Vaterlandspartei auf sechs Prozent abstürzte. Die liberale und pro-europäische „Selbsthilfe“ des Lemberger Bürgermeisters Sadowy wird mit 14 Prozent als drittstärkste Kraft gehandelt. Dagegen rutschten die (west-)ukrainischen Nationalisten der Swoboda auf sechs Prozent ab. Überraschend schwach schnitt auch die nationalpopulistische Radikale Partei mit ihren sieben Prozent ab. Als einzige Partei der russischsprachigen Bevölkerung im Osten wird der Oppositionsblock – eine Neugründung der untergegangenen Partei der Regionen Janukowitschs – mit bis zu zehn Prozent im Parlament vertreten sein.

Die Wahlbeteiligung von 53 Prozent stellt den alten Negativrekord von 2012 (57 Prozent) noch in den Schatten. Während in den Oblasten des äußersten Westens offiziell mehr als zwei Drittel der Wahlberechtigten zur Urne gingen, waren es im kriegsgebeutelten Donbass knapp ein Drittel. Entgegen den Straßenverhältnissen nahm die Wahlbeteiligung von West nach Ost sukzessive ab.

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