© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Wir können auch anders
Eisenbahngesellschaften: Durch ihr starkes Engagement im Personennahverkehr punkten die Privatbahnen beim Kunden
Mario Jacob

Streiks, Verspätungen, verpaßte Anschlußzüge und Zugausfälle nerven die Fahrgäste. Viele Bahnkunden beklagen zudem die Schließung zahlreicher Bahnhöfe in kleineren Städten und auf dem Land. Der Service der Deutschen Bahn (DB)bleibt sprichwörtlich auf der Strecke.

Doch es geht auch anders. So waren Kunden der Metronomzüge und der Nord-Ostsee-Bahn in Norddeutschland von dem Streik nicht betroffen. Auch Kunden von Agilis, die unter anderem den Regionalverkehr zwischen Plattling und Regensburg bedient, hatten freie Fahrt. Andere Eisenbahnunternehmen, wie etwa die Ostdeutsche Eisenbahn GmbH (ODEG), wurden von der Deutschen Bahn ausgebremst. So blockierten beim vorigen Streik abgestellte Züge die Gleise. ODEG betreibt in der Region unter anderem den wichtigen Regional-Expreß RE2 (Wismar–Cottbus).

Stillgelegte Strecken werden neu belebt

Bei den genannten Unternehmen handelt es sich um private Eisenbahngesellschaften. Diese sind oftmals Kapitalgesellschaften im Eigentum privater Investoren. Nicht selten sind auch Länder, Kreise oder Städte beteiligt. Führten die Privatbahnen anfangs noch ein Schattendasein, so hat sich das mittlerweile geändert.

Seit der Bahnreform im Jahr 1994 ist der Anteil der Privatbahnen am Schienenpersonennahverkehr kontinuierlich gestiegen. Im Zeitraum von 2003 bis 2014 stieg die Marktanteilsentwicklung der Wettbewerber an der Betriebsleistung in Zugkilometern (Zkm) nach Angaben des Netzwerkes Europäischer Eisenbahnen e. V. im Schienenpersonennahverkehr von 9,9 auf 27,3 Prozent. Der Anteil der Deutschen Bahn beträgt 72,7 Prozent. Im Schienengüterverkehr (SGV) konnten die Privatbahnen die Betriebsleistung trotz zuletzt konjunkturellen Eintrübungen auf hohem Niveau stabilisieren.

Neben den geringeren Personalkosten gegenüber den Kollegen der Deutschen Bahn setzen die privaten Eisenbahnbetreiber auf moderne Züge, Pünktlichkeit und neue Verbindungen. So bietet die Privatbahn vlexx ab Mitte Dezember neue Strecken in Rheinland-Pfalz an. Die modernen Züge von vlexx verbinden dann im Personennahverkehr die Regionen Rheinhessen, Nahe, die Westpfalz und das Saarland mit der Metropolregion Rhein-Main und den Zentren Mainz, Rüsselsheim und Frankfurt/Main sowie dem Frankfurter Flughafen.

Die vlexx GmbH ist ein 100prozentiges Tochterunternehmen der Länderbahn (Regentalbahn AG). Diese betreibt mit über 1.000 Mitarbeitern Zuglinien in Bayern, Sachsen, Thüringen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Hessen und Tschechien. Die Länderbahn ist ein Unternehmen des privaten Verkehrsunternehmens Netinera Deutschland GmbH und tritt als privates Eisenbahnverkehrsunternehmen im Personennahverkehr mit den Produkten alex, trilex, vogtlandbahn, waldbahn und Berchtesgadener Land Bahn auf. Die Netinera Deutschland GmbH gehört übrigens zu einem Konsortium unter Führung der italienischen Staatsbahn Ferrovie dello Stato Italiane.

Die Zugleistungen der Privatbahn vlexx sind aufgrund des Verkehrsvertrags mit den Zweckverbänden Schienenpersonennahverkehr Rheinland-Pfalz Nord und Süd, dem Saarland und dem Rhein-Main-Verkehrsverbund langfristig bis zum Jahr 2037 gesichert. Hiervon sollen auch die Mitarbeiter profitieren. Angeblich werden mit allen Mitarbeitern des Unternehmens nur unbefristete Arbeitsverträge geschlossen. So jedenfalls die Eigenwerbung von vlexx.

Auch in die Infrastruktur investiert vlexx. Ab Dezember betreibt die Privatbahn den Bahnhof in Idar-Oberstein. Momentan deutet alles darauf hin, daß die Stadt den Bahnhof per Ankauf übernimmt. Den Kauf kann die Stadt Idar-Oberstein laut eigenen Angaben aus dem Erlös der laufenden Mieteinnahmen finanzieren. Der Bahnhof kann zudem preiswert vom derzeitigen Betreiber, Deutsche Bahn Immobilien, erworben werden. Mit dem Betreiberwechsel soll auch eine Wiederbelebung des Bahnhofes erreicht werden. Neben sanitären Anlagen ist ein Kiosk geplant sowie eine generell freundlichere Gestaltung des Geländes.

Aber auch andere Privatbahnen erweitern stetig ihr Angebot. So betreibt die Niederbarnimer Eisenbahn AG (NEB) seit Dezember weitere Strecken in Ostbrandenburg und Berlin. Das Unternehmen erbringt neben der Bereitstellung von Infrastruktur im Norden Berlins und im angrenzenden Land Brandenburg auch Leistungen im Bereich der Vermietung und Verpachtung sowie dem Verkauf von Immobilien.

Dominiert wird der Markt der Privatbahnen im Nordosten von der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH (ODEG). Das Unternehmen erbringt mit rund 70 Zügen und 16 Linien mit einer Streckenlänge von mehr als 1.500 Kilometern sowie knapp 500 Mitarbeitern Nahverkehrsleistungen im Auftrag der Bundesländer Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und des Zweckverbandes Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien.

Die größte private Eisenbahngesellschaft in Deutschland ist momentan die Metronom Eisenbahngesellschaft mit Sitz in Uelzen. Die Angebote der Metronomzüge nutzen täglich mehr als 100.000 Fahrgäste.

Mit zunehmender Expansion der Privatbahnen erhöht sich jedoch auch der Konkurrenzdruck. Die Strecken sind begehrt. Entsprechend bewerben sich die privaten Eisenbahngesellschaften im Rahmen öffentlicher Ausschreibungen, den Schienenpersonennahverkehr auf einer bestimmten Strecke für einen definierten Zeitraum zu übernehmen.

Das Procedere geht nicht immer einfach über die Bühne. So informierte der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) im November 2012 darüber, daß die NEB das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Doch aufgrund eines Einspruchs eines Mitbewerbers, der dann von der Vergabekammer in Potsdam zurückgewiesen wurde, verzögerte sich die beabsichtigte Vergabe um drei Monate. Nachdem die erneute zweiwöchige Einspruchsfrist verstrichen war, erteilte der VBB der Niederbarnimer Eisenbahn den Zuschlag.

Doch so gut sich die Privatbahnen im Schienenpersonennahverkehr etablieren konnten, so schlecht sieht es im Fernverkehrsmarkt aus: Ihr Marktanteil an der Verkehrsleistung im Schienenpersonenfernverkehr lag 2012 unter zwei Prozent. Private Betreiber konnten sich trotz Öffnung des Marktes für die Konkurrenz bislang kaum auf diesem Markt etablieren. Wie die Deutsche Bahn so leiden auch die Privatbahnen in Deutschland unter der Konkurrenz der Fernbusse.

Bisher gibt es lediglich zwei Wettbewerber zur Deutschen Bahn im Fernverkehr. Einer davon, die Veolia Verkehr GmbH, wird den Betrieb ihres täglich verkehrenden Fernverkehrszuges Interconnex zwischen Leipzig, Berlin und Rostock/Warnemünde wegen stetig zurückgehender Fahrgastzahlen zum kommenden Fahrplanwechsel im Dezember nach zwölf Jahren einstellen, wie das Unternehmen vor einigen Tagen mitteilte. „Unter den aktuellen Bedingungen ist in Deutschland der Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Fernverkehrsangebots auf der Schiene auf Dauer nicht mehr möglich“, erläuterte Christian Schreyer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Veolia Verkehr, vergangene Woche. „Wir können mit den parallel verkehrenden Fernbuslinien, die keine Straßenmaut bezahlen müssen, und deren Preisen nicht konkurrieren, wenn zugleich die Gebühren für die Nutzung der Schieneninfrastruktur der Deutschen Bahn immer weiter steigen.“

Im Fernverkehr gibt die erste Privatbahn auf

Schreyer kritisierte vor allem den Umstand, daß sich allein die an die DB zu zahlenden Infrastrukturkosten pro Strecke und pro Richtung auf insgesamt 1.700 Euro belaufen würden. Für den Interconnex jedoch gebe es – im Gegensatz zum öffentlich geförderten Schienennahverkehr – keine finanzielle Unterstützung. Hinzu kämen dann noch Stationsgebühren. Auf den einzelnen Fahrgast gerechnet, so Schreyer enttäuscht, entstünden so Kosten von rund elf Euro nur für die Nutzung der Infrastruktur.

Auch der 2012 gestartete private Bahnbetreiber Hamburg-Köln-Expreß (HKX) steht unter Druck. Nach Angaben der Wirtschaftswoche wird der Fahrplan geändert. Demnach wird es ab Ende Oktober nur noch maximal zwei Hin- und Rückfahrten pro Tag zwischen Köln und Hamburg geben. Derzeit fährt der HKX bis zu dreimal pro Tag.

Das Unternehmen plant, künftig die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bahn zu erweitern. So sollen demnächst auch DB-Tickets anerkannt werden. Dann können Reisende ihre Tickets nicht nur über HKX, sondern auch im DB-Reisezentrum, über die DB-Fahrkartenautomaten, in Reisebüros mit DB-Agentur, auf bahn.de und über die Handy-App der Bahn kaufen.

Parallel verhandelt HKX mit der Bahn, wie die Einnahmen von Fahrgästen aufgeteilt werden, die auf ihrer Reise Züge beider Unternehmen benutzen. Auch in eigene Züge soll mehr investiert werden. „Durch den Einsatz eigener Züge stabilisiert sich unser Fahrbetrieb und sinken unsere Mietkosten“, ist HKX-Geschäftsführer Carsten Carstensen überzeugt. Weitere 30 Wagen könnten bei Bedarf noch modernisiert werden. Derzeit reisen rund 40.000 Fahrgäste pro Monat mit dem Hamburg-Köln-Express.

Fotos: Folge der GDL-Streiks: Verwaiste Bahnsteige – saure Fahrgäste; Zug der Ostdeutschen Eisenbahn GmbH: Trotz Ausstand bei der DB rollen die S-Bahn-Züge der ODEG

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