© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Knapp daneben
Der Mittelstand ist ein Auslaufmodell
Karl Heinzen

Wenn vom „Mittelstand“ die Rede ist, fließen oft Tränen der Rührung. Politiker aller Couleur preisen dann salbungsvoll seine Leistungen, so als sprächen sie über Ehrenamtliche, die, getragen von selbstloser Nächstenliebe, nichts anderes als das Gemeinwohl im Sinn hätten.

Was alles zum Mittelstand zu zählen ist, läßt sich dabei kaum präzise benennen. Wahrscheinlich gehören Edelbordelle, Glücksspielketten und Pfandhäuser genauso zu ihm wie High-Tech-Schmieden in Bayern oder Baden-Württemberg. Fest steht allein, daß unser Wohlstand diesen unermüdlichen Unternehmern allerhand zu verdanken hat. Landauf, landab tüfteln sie an Innovationen, die die Welt begeistern. Sie sorgen für Beschäftigung in strukturschwachen Regionen, zahlen im Unterschied zu den fiesen Großkonzernen anständig ihre Steuern und fördern als Mäzene Kultur, Bildung und Sport, wo dem klammen Staat die Luft ausgeht.

Von 148 Mittelständlern, die seit 2010 Minibonds auflegten, sind bereits 23 insolvent.

Leider müssen auch Mittelständler Geld verdienen, und das ist in Zeiten der Globalisierung nicht einfach, weil sie oft zu klein sind, um sich am Weltmarkt zu behaupten. Um zu wachsen, müssen sie investieren, und dazu gilt es vor allem, den Kapitalmarkt anzuzapfen. Die zaghaften Versuche, die sie hierbei unternahmen, sind allerdings wenig motivierend. Von 148 Mittelständlern, die seit 2010 Minibonds auflegten, sind bereits 23 insolvent, die Anleger haben eine halbe Milliarde Euro verloren. Ein Ende der Pleitewelle ist nicht abzusehen. Dennoch wäre es fatal, die Suche nach Fremdkapital wieder einzustellen. Die großen Geldvermögen sind unproduktiv, wenn sie nicht in der Realwirtschaft angelegt werden. Da alle Konzerne längst aufgeteilt sind, muß sich der Blick der Investoren auf den Mittelstand richten. In ihm gibt es zahlreiche Unternehmen, die über sich selbst zu weltmarktfähiger Größe hinauswachsen könnten. Zum Mittelstand wird man sie dann aber nicht mehr zählen dürfen. Dieser Begriff wird in Zukunft jenen vorbehalten sein, die an der Globalisierung gescheitert sind oder bloß provinziellen Bedarf decken. Der Mittelstand von morgen wird Mitleid und nicht Begeisterung wecken.

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