© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

;–)
Emoticons: Schriftliche Kommunikation wird immer häufiger von kleinen Bildchen durchzogen
Thomas Paulwitz

Morgenstund hat Gold im Mund: Wer in solchen Bildern spricht  oder schreibt , veranschaulicht seine Sprache. Der Zuhörer oder Leser wird dankbar sein, sofern es der Autor nicht übertreibt oder gar schiefe Bilder verwendet; wie etwa bei dem Spruch „Das schlägt dem Faß die Krone ins Gesicht“, in dem gleich drei Redewendungen krude miteinander vermischt sind.

Wie sieht es allerdings aus, wenn nun nicht in Bildern, sondern statt dessen mit Bildern geschrieben wird? „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“, heißt es so schön. Und so ist es nicht verwunderlich, daß die Nutzer elektronischer Text-eingaben bei schneller, hastiger Kommunikation der Einfachheit halber auf die angebotenen Bildchen zurückgreifen, die sie ohne Schwierigkeiten in die Texte einbauen können.

Sie sind in Facebook-Nachrichten  genauso zu finden wie in Kurzmitteilungen zwischen Mobiltelefonen , etwa über WhatsApp: die Grinsegesichter , die auch außerhalb der elektronischen Welt als „Smileys“ bekannt sind. Am Rechner spricht man jedoch längst nicht mehr von „Smileys“, sondern im lateinisch-griechisch-englischen Stil von „Emoticons“ (Emotion, Icon). Aufgrund des Einflusses japanischer Hersteller auf dem Mobilfunkmarkt ist neuerdings von „Emojis“ die Rede. Inzwischen geben die Piktogramme längst nicht mehr ausschließlich Gefühlsregungen wieder, sondern es gibt Symbole aller Art: Für Essen steht eine Traube , für Trinken ein Glas  und für das Wetter ein Regenschirm .

Die einen verabscheuen diese Art der Verständigung, die anderen sind vernarrt darin, weil sie ohne die Bildchen kaum noch auskommen. Gerade Gefühle lassen sich in schriftlichen Texten nicht immer hopplahopp vermitteln. Wer die Kunst des angemessenen Ausdrucks nicht gelernt hat oder sie verlernt hat, wer zu bequem ist oder schlicht zu wenig Zeit hat, dem sind die Bildchen willkommen. So hat das zwinkernde Gesicht ;-) schon manche Freundschaft gerettet, da nicht jeder sofort erkennt, ob etwas ironisch gemeint ist, zumal wenn er nur einen kurzen Satz hingeworfen bekommt.

Universalsprache für die multikulturelle Gesellschaft

So ist diese technische Neuerung teils Segen, teils Fluch: Segen deshalb, weil sie es in einer Zeit der Massenkommunikation ermöglicht, noch schneller noch kürzere Nachrichten abzusetzen; aber auch Fluch deswegen, weil sie dazu führt, nicht mehr so sehr über das Geschriebene nachzudenken. Wie kommt meine Nachricht beim Empfänger an? Mit welchen Worten kann ich ihn am besten erreichen? Diese für den einzelnen wichtige Sprachpflege, die zugleich Denkpflege ist, gerät ins Hintertreffen.

Vollständige Unterhaltungen können mittlerweile aus den „Emojis“ zusammengesetzt werden. Auf diese Weise entsteht allmählich eine Universalsprache, die wie geschaffen ist für die weltweite multikulturelle Gesellschaft . So fragt die britische Tageszeitung The Guardian: „Emoji: the first truly global language?“ Und das Nachrichtenmagazin Der Spiegel feiert bereits „die Weltsprache unserer Zeit“. In vielsprachigen Gesellschaften ohne allgemein anerkannte und beherrschte Leitsprache, wie sie sich auch in bestimmten Vierteln von Großstädten entwickeln, erwächst die Bildersprache zum einheitlichen Verständigungsmittel.

Ebenso breitet sich die Bildersprache parallel zu einem Phänomen aus, das sich „Funktionaler Analphabetismus“ nennt. Nach Angaben des Bundesverbandes Alphabetisierung gibt es in Deutschland unter den Erwachsenen 7,5 Millionen funktionale Analphabeten. Diese sind aufgrund ihrer begrenzten schriftsprachlichen Kenntnisse nicht in der Lage, „am gesellschaftlichen Leben in angemessener Form teilzuhaben“. Das vermehrte Einstreuen von Bildern in Texte, wie man es sonst nur von Erstlesebüchern für Schulanfänger kennt, kommt den Analphabeten entgegen. Das entspricht dem sozialistischen Verständnis von Bildungspolitik, die das Niveau senkt, damit es von möglichst vielen erklommen werden kann. Ob dies der Allgemeinheit zum Vorteil gereicht, dürfen wir bezweifeln.

Eine Anekdote dabei ist, daß es den Analphabetismus sogar auch andersherum gibt: Es fuhr einmal ein Autofahrer   kreuz und quer durch die Stadt. Lange Zeit fand er nicht die Innenstadt, weil er auf den Schildern vergeblich nach dem Wort „Zentrum“ suchte, das es aber nicht gab. Nach langem Irren bemerkte er schließlich, daß es auf den Wegweisern statt eines Wortes lediglich ein Piktogramm gab, auf dem ein Punkt in einem Kreis zu sehen ist.

Auch mit der neuen Bildersprache schließt sich ein Kreis , denn historisch gesehen handelt es sich tatsächlich um eine Rückentwicklung der Schrift, zurück zu ihren Wurzeln. Die ersten Schriftzeichen entstanden nämlich aus Piktogrammen. Daraus entwickelten sich dann allmählich die Buchstaben. Die chinesischen Schriftzeichen / erinnern noch sehr stark an ihre Ursprünge in der Bildersprache. Die Hieroglyphen-Schreiber der alten Ägypter würden sich vielleicht freuen, wenn sie sähen, wie die Piktogramme heute zurückkehren: zwar noch nicht in der Literatur, doch zumindest in Gebrauchstexten.

Weniger reden, mehr sagen

Offen ist die Frage, inwieweit es sich hierbei um einen Prozeß handelt, der die Sprache ergänzt oder der sie verdrängt . Die Empfehlung bei der Verwendung von Textbildchen lautet daher: Bitte maßhalten und die Ausdrucksmöglichkeiten unserer Sprache nicht vergessen. Sicherlich sinnvoll wäre eine „Emoji“-Diät, aber bitte nicht so wie sie die amerikanische Journalistin Kelsey Rexroat an sich übte: Sie aß zum einen nur das, wofür es ein „Emoji“ gibt. Zum anderen probierte sie mindestens einmal jede Mahlzeit und jedes Getränk , für die ein solches Bildsymbol vorhanden ist. Insgesamt verzehrte sie 59 Essen und Getränke, darunter elf Süßspeisen. Daß solche Geschichten entstehen, zeigt den bereits erreichten kulturellen Status dieser Bildchen.

Noch ist alles im Fluß. Viel wäre schon gewonnen, wenn weniger geredet , sondern mehr gesagt würde, und wenn weniger getippt , sondern mehr geschrieben würde. Tatsache ist jedoch: Wenn aus „Morgenstund hat Gold im Mund“ schließlich nur noch ein Grinsemännchen mit Goldzahn übrigbliebe, wäre dies ein unbeschreiblicher Verlust.

 

Thomas Paulwitz ist Schriftleiter der in Erlangen vierteljährlich erscheinenden Zeitung Deutsche Sprachwelt. www.deutschesprachwelt.de

Foto: WhatsApp-Emojis: Nutzer elektronischer Texteingaben greifen bei schneller Kommunikation der Einfachheit halber auf die Bildchen zurück

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen