© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Frisch gepresst

Freiburger Kreise. An keiner anderen deutschen Universität formierte sich Ende der 1930er eine ähnlich fundamentalistische Anti-NS-Opposition unter Professoren wie im badischen Freiburg. Getragen wurde der christlich inspirierte Widerstand von dem Agrarwirtschaftler Constantin von Dietze, den Nationalökonomen Adolf Lampe und Walter Eucken sowie dem Historiker Gerhard Ritter. Kontakte entwickelten sich zum Kreisauer Kreis und zu den nationalkonservativen Exponenten des Widerstands wie Carl Friedrich Goerdeler und Jens Jessen. 1943/44 wirkten die ökonomischen Konzepte der Freiburger als integrative Klammer in der bürgerlichen Opposition, deren Vorstellungen über ein Deutschland nach Hitler nicht nur wirtschaftspolitisch viel Gegensätzliches enthielten. Zu den Glanzstücken des informativen Sammelbandes zählen die Beiträge von Klaus Schwabe über Ritters Rolle in Freiburg sowie Günther Gillessen sarkastischer Rückblick auf eines der peinlichsten Kapitel der mit intellektuellen Armutszeugnissen wahrlich nicht geizenden bundesdeutschen „Vergangenheitsbewältigung“: die 2008 ausgefochtene Kontroverse um den Gerhard-Ritter-Preis, den die Badische Zeitung nicht mehr nach dem Historiker benennen wollte, weil „der Nationalkonservative eine aristokratische Staatsform“ befürwortet habe. (ob)

Hans Maier (Hrsg.): Die Freiburger Kreise. Akademischer Widerstand und Soziale Marktwirtschaft. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2014, broschiert, 283 Seiten, 29,90 Euro

 

Kriegsschuld. „Wenn alle einer Meinung sind, wird meistens gelogen.“ Gemäß diesem JF-Werbeclaim reflektiert der Historiker Stefan Scheil die Debatte um die Kriegsschuld am Ersten Weltkrieg, die anläßlich des hundertsten Jahrestages ungeheuer an Fahrt aufgenommen hat und teilweise zu ganz neuen Bewertungen kommt. Dabei schien jahrzehntelang zu dieser Frage „alles gesagt“. Der umfangreiche Sammelband zur Geschichte des Ersten Weltkriegs des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes (MGFA) aus dem Jahr 1994 meinte diese „Gewißkeit“ gar nicht erst reflektieren zu müssen, wie Scheil erinnert. Dabei hätte es bereits genügt, die umfangreiche, international geführte Debatte der zwanziger und dreißiger Jahre zur Kenntnis zu nehmen. In seinem aktuellen Sammelband stellt er die prononciertesten Wortmeldungen aus England, Frankreich oder den USA zusammen, die schon damals jene in Versailles politisch sanktionierte „Alleinschuld Deutschlands“ widerlegten. Dabei deutet Scheil verschmitzt an, daß wohl auch die Revision anderer historischer „Gewißheiten“ anstehen könnte. (bä)

Stefan Scheil: „Mitten im Frieden überfällt uns der Feind.“ Vergessene Wahrheiten des Ersten Weltkriegs. Landt Verlag, Berlin 2014, gebunden, 267 Seiten, 29,80 Euro

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