© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Marktwirtschaft im Zangengriff
Wirtschaftsliteratur: Der Ökonom und Buchautor Ulrich Horstmann prangert das ordnungspolitische Versagen des Staates zugunsten der Finanzindustrie an
Christian Schwiesselmann

Die Marktwirtschaft befindet sich im Zangengriff zweier „dunkler Mächte“. Von unten unterhöhlt der Staat als das kälteste aller Ungeheuer die ordnungspolitischen Grundsätze, mischt sich willkürlich ins Wirtschaftsgeschehen, subventioniert Ökofarmen und Elektromobile mit kostenfreien Parkplätzen, Ladesäulen und freier Fahrt auf der Busspur, dekretiert Preise, Löhne und schränkt die Privatautonomie und Eigentumsrechte immer weiter ein.

Von oben diktieren Hedgefonds und Investmentbanken der Realwirtschaft die Spielregeln – allesamt als „Global Player“ (globale Spieler) einer nationalen Kontrolle entzogen, ständig im „Moral Hazard“-Modus und „too big to fail“, das heißt wegen befürchteter Domino-Effekte zu groß, um Mißmanagement nicht mit Steuergeld auffangen zu müssen. Sie zahlen nur wenige Steuern zahlen und arbeiten zum Dank mit den Geheimdiensten dieser Welt zusammen – sie dealen mit sensiblen Informationen.

„Banker wissen, daß die Politiker sie brauchen“

Die Soziale Marktwirtschaft ist als Leitmodell nur noch eine Karikatur ihrer selbst (JF 38/14), obwohl sie von allen sozialdemokratischen Parteien im deutschen Bundestag ständig beschworen wird.

Ludwig Erhard, einer ihrer geistigen Väter, würde im Grabe rotieren, ist sich Ulrich Horstmann sicher. In seiner Kampfschrift gegen das ordnungspolitische Versagen des Staates rechnet der promovierte Ökonom mit der symbiotischen Beziehung zwischen Kapitalmärkten und Regierungspolitikern ab.

„Banker wissen, daß Politiker Geld brauchen, um den Wohltäter zu spielen, und daß ihnen selbst im Zweifel nichts passiert. Politiker wissen, daß Banken ihnen immer Geld leihen, solange sie damit nur ihren Reibach machen“, zitiert Horstmann den FAS-Wirtschaftsjournalisten Rainer Hank.

Als „Erfüllungsgehilfen“ des angelsächsischen „Finanzkapitals“, dessen Ideologie weit in Hirn und Herz der ehemaligen „Deutschland AG“ eingesickert ist, dienen die Ratingagenturen.

„Solange die Machtkonzentration besteht, wird die Gesellschaft gezwungen sein, den überteuerten und für Dritte schädliche Geschäfte durchführenden Bankenapparat querzusubventionieren“, schreibt Horstmann, der statt dessen für eine Rückbesinnung auf Ludwig Erhard plädiert, ohne den ersten Wirtschaftsminister und zweiten Kanzler der Bundesrepublik zu glorifizieren. „Der soziale Revolutionär Erhard mußte gegenüber den Gefälligkeitspolitikern bereits in den 1950er Jahren die Segel streichen. Es siegte das umverteilende Kollektiv“.

Schutzzonen für Monopolisten austrocknen

Horstmann ruft daher zu mehr Laissez-faire, Subsidiarität und Föderalismus auf: Er will die staatlichen Schutzzonen für Finanzmonopolisten austrocken, die Geldpolitik wieder unabhängig machen und das freie Spiel der Marktkräfte ohne bürokratischen Dirigismus reaktivieren. Das ist alles zweifellos richtig, aber wenig originell und realistisch.

Ulrich Horstmann: Zurück zur Sozialen Marktwirtschaft. Finanzbuch Verlag, München 2014, 256 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

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