© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Gegen die Wand
Nordrhein-Westfalen: Die freigebige rot-grüne Finanzpolitik entwickelt sich für Ministerpräsidentin Hannelore Kraft zum Desaster
Paul Humberg

Angesichts der jüngsten Horrormeldungen aus Nordrhein-Westfalen dürfte der Wunsch der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) wachsen, sich 2017 ins Amt der ersten Bundespräsidentin zu flüchten. „Beliebt ist sie ja, doch Regieren kann sie nicht“, so läßt sich Krafts Stellung derzeit zusammenfassen. Es gibt einen Haufen Probleme im Land, doch Konzepte haben weder SPD noch Grüne zu bieten.

Die Finanzpolitik der rot-grünen Regierung in Düsseldorf ist ein einziges Desaster. Um faktisch insolvente Kommunen an Rhein und Ruhr zu retten, kamen Kraft und Co. auf die „wunderbare“ Idee des Kommunal-Solis. Dabei hätte schon ein Blick auf den Länderfinanzausgleich gezeigt, daß ein solches System nicht funktioniert. Empfänger dieser Finanzspritzen sind 27 Kommunen im Land, vor allem Großstädte wie Essen, Gelsenkirchen und Mönchengladbach. Im Gegenzug will die Regierungschefin 78 Kommunen zur Kasse bitten. Ursprünglich war nur von 59 die Rede. So soll den ärmeren Kommunen dabei geholfen werden, bis 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erzielen.

Die Perversion des Systems hat der Landeskorrespondent der Westfalenpost, Wilfried Goebels, auf den Punkt gebracht: „Kranke Kommunen werden nicht dadurch gesund, daß man gesunde krank macht.“ Nicht nur der Kämmerer der Stadt Meerbusch, Helmut Fiebig, kann nicht verstehen, warum die kleinen Städte, die ihr Geld zusammengehalten haben, nun die großen Städte finanzieren sollen, „die geaast haben“. „Wer spart, ist der Dumme“, urteilt der Bund der Steuerzahler in NRW. Das Vorgehen der Landesregierung schaffe keine Anreize zum Sparen, sondern bestrafe diejenigen, die ihren Etat konsolidiert hätten.

Doch wie beim Leitungswasser, das die Landesregierung ihren Gästen künftig statt Mineralwasser aus „Spargründen“ kredenzen will, betreibt die Regierung auch hier nur Symbolpolitik. Die nordrhein-westfälischen Städte stehen mit gut 60 Milliarden Euro in der Kreide. Der geplante Kommunal-Soli soll rund 184 Millionen Euro pro Jahr einbringen – also noch nicht einmal ein Prozent des kommunalen Schuldenbergs, wie der Bund der Steuerzahler NRW vorrechnet. Nötig sei eine umfassende Gemeindefinanzreform.

Mit der Gießkanne durchs Land

Als Dank dafür, daß etwa die Bürger im Städtchen Langenfeld auf ihre Straßenreinigung verzichtet und selber zum Besen gegriffen haben, um ihre Grünanlagen zu pflegen, drohen dieser „reichen“ und sparsamen Kommune nun massive Steuer- und Gebührenerhöhungen.

Frau Kraft und ihr glückloser Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) geben auch kein gutes Beispiel für einen stringenten Sparkurs. Allein durch den Nachtragshaushalt 2014 steigt die Neuverschuldung von 2,4 auf 3,2 Milliarden Euro. Während elf Bundesländer im ersten Halbjahr 2014 Schulden getilgt haben, ist NRW Spitzenreiter beim Schuldenmachen.

Doch ob der Kommunal-Soli überhaupt durchsetzbar ist, bleibt ungewiß. Die rot-grüne Landesregierung ist bekannt dafür, daß sie vor Gericht gern mal Niederlagen einsteckt. So waren Haushalte nicht verfassungskonform und die Beamtenbesoldung nicht zulässig. Nicht auszuschließen also, daß die Zahler-Kommunen, die die Verfassungsmäßigkeit des Kommunal-Solis nun prüfen lassen wollen, Recht bekommen werden. Der Ton der Opposition in Düsseldorf wird derweil schärfer. „Ich fordere Frau Kraft auf, sich endlich den notwendigen strukturellen Veränderungen in unserem Land zu stellen“, forderte der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Laschet. „Es muß Schluß sein mit der Lila-Laune-Politik in unserem Land.“

Bei ihrem Amtsantritt war die burschikose Ministerpräsidentin noch mit der Gießkanne durchs Land gezogen: Wegfall der Studiengebühren, Streichung der Elternbeiträge im letzten Kita-Jahr, Ende der Stellenkürzungen im öffentlichen Dienst. Doch angesichts von 138 Milliarden Euro Schulden kann auch sie nicht so weitermachen, als gäbe es kein Morgen.

Nur bei den eigenen Ministern ist Hannelore Kraft noch spendabel. Ihre Minister und Staatssekretäre dürfen sich über ein Gehaltsplus freuen. Dies hängt damit zusammen, daß das Landesverfassungsgericht die geplanten Nullrunden für Beamte gekippt hat. Mit einer einfacheren Änderung des Ministergesetzes hätte Frau Kraft diesen Anstieg der eigenen Gehälter stoppen können. Doch Fingerspitzengefühl ist ihre Sache offenbar nicht.

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