© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Ignorieren ist auch keine Lösung
CDU/CSU: Nach den Wahlerfolgen der AfD sucht die Union händeringend eine Strategie für den Umgang mit der neuen Konkurrenz
Paul Rosen

Rat- und kopflos zeigen sich CDU und CSU nach den jüngsten Landtagswahlen, die mit der Alternative für Deutschland (AfD) eine neue Partei in drei Landesparlamente brachte. Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, flüchtete sich nach den Wahlen in Thüringen und Brandenburg in Allgemeinplätze: „Die beste Antwort auf diese AfD ist gute Regierungsarbeit.“ CSU-Chef Horst Seehofer ergänzte: „Der beste Schutz gegen die AfD ist eine gute eigene Politik.“ Das Problem sitzt jedoch tiefer und würde sich auch mit noch so guter Regierungsarbeit nicht lösen lassen: CDU und CSU befinden sich trotz respektabler Wahlergebnisse im Niedergang. Bürgerliche Konkurrenten wie die AfD oder die Freien Wähler in Bayern finden damit die notwendige Luft zum Atmen.

Die Auszehrung der Union erfolgt auf zwei Ebenen: Die Mitgliederzahl schrumpft drastisch, und zwar von 789.609 im Jahre 1990 auf 476.347 (2012). Viele Landkreise sind inzwischen teilweise CDU-frei. Dort wo die Partei noch präsent ist, beträgt das Durchschnittsalter der Mitglieder über 60 Jahre. Die CSU verzeichnet eine ähnliche, wenn auch langsamer verlaufende Entwicklung. Die Wahlergebnisse sind nur auf den ersten Blick gut. Schon bei der Bundestagswahl erhielt die Union bezogen auf die Zahl der Wahlberechtigten mit 23,6 Prozent „so wenig Stimmen wie zuvor nur bei der Bundestagswahl 1949, als das politische System noch nicht voll etabliert war“, schrieb Forsa-Chef Manfred Güllner im Handelsblatt. Die folgenden Europa- und Landtagswahlen waren also nicht der Beginn, sondern bereits die Fortsetzung einer Entwicklung für die Union, die die SPD mit dem Erstarken von Grünen und Linken längst hinter sich hat.

Die zweite Ebene betrifft die inhaltliche Auszehrung der Union. Die Publizistin Gertrud Höhler fragte schon 2012, „ob der Wertekonsens, den alle bürgerlichen Parteien teilen, seine Gültigkeit verliert zugunsten situativer Unberechenbarkeit aller Akteure und Motive.“ Der heutige AfD-Politiker Alexander Gauland konstatierte 2011 in einem Abschieds-Essay an seine frühere Partei, die CDU: „Sie wirkt wie eine antike Ruine – von außen noch prächtig anzuschauen, aber innen wüst und leer.“

Es geht beileibe nicht nur um die Familienpolitik, auch wenn das Bild der berufstätigen Frau und Themen wie Frauenquote, Krippen und Vereinbarkeit von Beruf und Kinderwunsch die Debatte dominieren. Die klassische Familie mit mehr als zwei Kindern fehlt im Programm der CDU und in den Reden ihrer Funktionäre; dem Schrumpfungsprozeß des Staatsvolks steht man ratlos gegenüber oder fordert mehr Zuwanderung wie die linke Seite. Außenpolitische Positionen hat die CDU nicht mehr. Da im Koalitionsvertrag Begriffe wie Nation oder Vaterland nicht mehr vorkommen, sind entsprechend auch deutsche Interessen nicht mehr definiert. In der Wirtschaftspolitik sind mit Mindestlohn, Frauenquote und Rente mit 63 linke Themen dominant. In der Finanzpolitik wird die Euro-Rettung von CDU bis Linkspartei ohnehin als alternativlos angesehen. Folglich zahlt man jede Rechnung aus Brüssel und bürgt ohne Ende.

Natürlich fehlt es nicht an Stimmen, die die CDU zur Umkehr und zur Rückkehr zu ihrem Wertefundament auffordern. „Gerade im liberal-konservativen Bereich hat die Union in den letzten Jahren – leider – deutlich an Anziehungskraft verloren“, formulierte der konservative „Berliner Kreis“ der CDU nach den jüngsten Wahlen. Zu dem Kreis gehören der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach und der hessische CDU-Politiker Christean Wagner. Sie warnen, die Union dürfe „keinen politisch-programmatischen Raum für andere Parteien lassen“. Auch die CSU-Initiative „Konservativer Aufbruch“ verlangt, die Union müsse das „Vakuum schließen, in das die AfD ohne Gegenwehr vorstößt“.

Die Führungen beider Unionsparteien weisen solches Ansinnen teils geschäftsmäßig, teils mit Verärgerung zurück. Merkel erklärte mit Blick auf die AfD-Stimmengewinne von der Linkspartei und SPD, die AfD sei nicht nur ein Problem der CDU, sondern aller Parteien. Für Merkels Vize Armin Laschet ist die AfD jedenfalls „keine Partei rechts von der CDU“. Und Julia Klöckner, ebenfalls Vizevorsitzende der CDU meint, die AfD sei eine „Unmuts-Aufsauger-Partei“. CDU-Generalsekretär Peter Tauber wiegelte in der Zeit ab: „Ich glaube nicht, daß es sachliche Gründe gibt, die AfD zu wählen.“

Einen realistischen Blick hat der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU): „Wenn sich in Bayern zwei bürgerliche Parteien – Freie Wähler und AfD – rechts von der CSU etablieren, ist für uns nicht nur das Wahlziel 50 Prozent dauerhaft entfernt, sondern dann gerät sogar die Marke von 40 Prozent in Gefahr.“ Geradezu prophetisch erscheint die Äußerung des thüringischen CDU-Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring, der es für falsch hält, die AfD zu ignorieren: „Die ehemalige Volkspartei SPD macht sich klein und hat Platz für Linke und Grüne geschaffen. Der Erosionsprozeß auf der linken Seite zeigt ja, wo das enden kann.“

Foto: AfD-Wahlplakate auf einer Veranstaltung der CDU in Sachsen: „Ohne Gegenwehr“

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