© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Rainer Zitelmann. Einst rech­ter Hoffungsträger, ist er heute Immobilien- und Sport-Guru.
Der Berserker
Ronald Berthold

Es sind diese Bilder, die Rainer Zitelmann in seinem jüngst erschienenen Buch veröffentlicht, die diejenigen irritieren, die ihn aus den 1990er Jahren kennen. Der einstige Anführer der damals so genannten Neuen demokratischen Rechten zeigt sich in „Erfolgsfaktoren im Kraftsport“ mit entblößtem, stattlich trainiertem Oberkörper – und das mit 57 Jahren!

Einst war dieser Muskelmann für die Etablierten ein Feindbild. Seinen Namen nutzten die Öffentlich-Rechtlichen, um vor den „Zitelmännern dieser Republik“ zu warnen. Der über Hitler („Selbstverständnis eines Revolutionärs“) promovierte Historiker hatte es Anfang und Mitte der 1990er Jahre mit einer Mischung aus Intellekt und Tatendrang geschafft, zum Motor einer publizistischen und politischen Bewegung zu werden, die die 68er-Generation aufschreckte.

Reputation hatte er sich über die Hitler-Forschung erworben. In seinen Veröffentlichungen und auch bei seinen Fernsehauftritten stellte er der Kollektivschuldthese ein differenziertes Bild der NS-Zeit gegenüber.

Zitelmann war in dieser Zeit einfach überall. Unter dem konservativen Verleger Herbert Fleissner avancierte der 1957 in Frankfurt am Main geborene Mittdreißiger zum Cheflektor des Ullstein-Verlages. Er führte die Taschenbuchreihe „Ullstein-Report“ ein, mit der er politisch inkorrekte Positionen massentauglich unter die Leser brachte. Beinahe gleichzeitig versuchte er außerdem, gemeinsam mit Mitstreitern die FDP nach dem Vorbild der FPÖ nach rechts zu kippen. Das Vorhaben scheiterte, als der von ihm protegierte Ex-Generalbundesanwalt Alexander von Stahl bei der Wahl zum Vorsitzenden der Berliner Liberalen 1996 knapp unterlag.

Zitelmann verantwortete auch die „Geistige Welt“, die Wochenendbeilage von Springers Flaggschiff Die Welt. Im Rekordtempo krempelte er das Blatt um und gab konservativen und rechtsintellektuellen Autoren ein Forum. Befeuert von Blättern wie Süddeutscher Zeitung und Zeit kam es zum Aufstand empörter Linker in der Redaktion gegen ihn und seine Kollegen Heimo Schwilk und Ulrich Schacht, der in einem regelrechten Tribunal gegen das Trio und für Zitelmann in einem faktischen „Schreibverbot“, wie er es selbst nannte, gipfelte. Die konservativen Springer-Leute ließen Zitelmann im Regen stehen, um die eigene Haut zu retten.

Nach dieser Enttäuschung wandte Zitelmann sich konsequent von Politik und Journalismus ab und stieg dafür sehr erfolgreich ins Immobiliengeschäft ein. Er veröffentlichte Ratgeber für Manager, von denen einer sogar als Standardwerk gilt. Der Workaholic kann sich binnen kürzester Zeit in komplizierte Themen einarbeiten. Ihm fehlt aber die Ausdauer für einen Marathonlauf. Viele wünschten sich heute wieder einen mehr politischen und weniger sportlichen Zitelmann.

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