© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Zeitschriftenkritik: Philosophie Magazin
Willst du dies noch einmal?
Werner Olles

Die spätkapitalistische Warengesellschaft lebt davon, daß die Konsumenten Dinge haben wollen, die sie brauchen oder von denen sie zumindest glauben, daß sie sie brauchen. Dazu läßt speziell die Werbeindustrie nichts unversucht, die Bürger in ihrem Konsumverhalten zu beeinflussen. Aus konsumtheoretischer Sicht ist jedoch der Ursprung unseres Willens zum Kauf nur bedingt manipulierbar oder beeinflußbar. In der Regel genügt es bereits, den ohnehin schon vorhandenen Willen zu bestätigen beziehungsweise zu bestärken. Ob es sich nun um Kleider, Bücher oder Reisen handelt, Konsumprodukte sind heute in ihrer aufwendigen und differenzierten Inszenierung ein weit wichtigerer Faktor der Identitätsbildung als noch vor wenigen Jahrzehnten. Postmodernismus, Lifestyle und die Ästhetisierung des Konsums haben inzwischen einen Markt kreiert, der von Luxus bis zur aparten Askese („Luxese“) so ziemlich alles anbietet, was kommerziell begehrenswert, antizyklisch-trendsettend und marktrealistisch zugleich ist. Daß dies bisweilen in einen durchsichtigen Sophismus und warenästhetischen Hedonismus ausartet, ist nicht vermeidbar, möglicherweise sogar eine stillschweigende Voraussetzung für die postmodern-subjektivistische Umpolung vom Gebrauchswert zum Lifestyle und dessen sozialästhetische Formebene.

So fragt die aktuelle Ausgabe (Nr. 5/2014, August-September) des zweimonatlich erscheinenden Philosophie Magazins zu Recht in ihrem Schwerpunktthema: „Woher weiß ich, was ich will?“ Für die Beantwortung dieser Fragen bemüht die Zeitschrift einen klassischen Denker wie Friedrich Nietzsche und seine „Fröhliche Wissenschaft“, um die Güte des eigenen Wollens und Strebens zu beurteilen. Dieser ist um eine Antwort nicht verlegen: „Die Frage bei Allem und Jedem, ‘willst du dies noch einmal und noch unzählige Male?’ würde als das größte Schwergewicht auf deinem Handeln liegen. Oder wie müßtest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung?“ In der alltäglichen Anwendung erweise sich Nietzsches Test allerdings als „durchaus tückisch“, wie Chefredakteur Wolfram Eilenberger in seinem Editorial kritisch anmerkt. Seine Lebensprüfung des ewigen Wieder-wollen-Könnens, so scheine es jedenfalls, würde wohl kein Mensch bestehen. Philosophisch spricht zwar kaum etwas dagegen, denn die Funktion von Idealen besteht nicht darin, sie zu erfüllen, sondern darin, ihnen zu folgen. Daß dies jedoch nur allzuoft mißlingt, wußte bereits Sokrates, als es ihn auf den Marktplatz, Rousseau in die Einsamkeit des Waldes und Nietzsche letztlich in den Wahnsinn trieb.

Über das Problem des „guten Vergessens“ führen die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann und der Schriftsteller Martin Walser ein interessantes Gespräch, wobei auch der historische Streit um die Erinnerungskultur als wesentlicher Teil unserer nationalen Identität kontrovers diskutiert wird.

Kontakt: Philomagazin Verlag, Brunnenstr. 143, 10115 Berlin, Telefon: 030 / 6 09 85 82 19. Das Einzelheft kostet 6,90 Euro, das Jahresabo 36 Euro.

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