© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Offene Grenzen zur Volkspädagogik
Politisierung der Wissenschaft: Die DFG schüttet 400.000 Euro Steuergeld für „Antisemitismus im Netz“ aus
Oliver Busch

Wer die Jahresbilanzen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seit der Wiedervereinigung von 1990 im Kapitel Kultur- und Sozialwissenschaften vergleicht, dürfte mühelos die zunehmende Politisierung der Projektförderung erkennen. Denn bei der aus Steuermitteln finanzierten, milliardenschweren DFG votieren die zuletzt wegen mangelnder Transparenz ihrer Urteilsfindung in die Kritik geratenen Gutachter penetrant häufig für Anträge, die Erkenntnisgewinne zu Migration, Rassismus, Globalisierung, Gender versprechen.

So durfte sich im Juli 2014 auch die Kognitionslinguistin Monika Schwarz-Friesel (TU Berlin) über 400.000 Euro freuen, die ihr bis 2017 gewährt werden, um die „Verbreitung antisemitischer Inhalte“ im Internet zu untersuchen. Dieses Unterfangen, dessen Resultate, frei nach Theodor W. Adorno, auch die bescheidenste Vernunft vorwegnehmen kann, schließt nahtlos an Schwarz-Friesels 2010 begonnene Musterung von 40.000 Briefen und Mails an, die Bundesbürger wegen der Besatzungspolitik in den Palästinensergebieten an die Berliner Botschaft Israels und an den Zentralrat der Juden schickten. Unter dem Titel „Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert“ liegt der Ertrag seit 2013 in Buchform vor. Schwarz-Friesel bleibt darin der altbackenen, von Wolfgang Benz an der TU Berlin etablierten „Antisemitismus“-Deutung treu, der zufolge Judenfeindschaft grundsätzlich nie Wurzeln in der Wirklichkeit politischer, sozialer oder ökonomischer Konflikte hat, sondern ausschließlich der Vorstellungswelt von Judengegnern entspringt, die in „Vorurteilen“ befangen sind und unentwegt „Phantasmen“, „Klischees“ und „Stereotypen“ produzieren.

Erwartungsgemäß hat das Werk denn auch in erster Linie bei militanten Israel-Apologeten wie dem Hamburger Politologen Matthias Küntzel aufjauchzende Zustimmung geerntet. Küntzel war einst im sektiererischen Kommunistischen Bund (KB) aktiv, heuerte bei der grünen Bundestagsfraktion als wissenschaftlicher Mitarbeiter an. Zu dieser Zeit exponierte er sich als bekennender „Antideutscher“ und publizierte in einschlägigen Postillen wie Jungle World. 2001 öffneten sich Küntzel mit der Konversion zum islamophoben Anwalt zionistischer Politik die Spalten des Wall Street Journal und er durfte auf Tagungen referieren, die Wissenschaft und Forschung eher fernstehende Institutionen wie das israelische Außenministerium oder die Anti-Defamation League in den USA ausrichteten. Für seine emsige Agitation wurde er 2011 dann sogar mit einem „Menschenrechtspreis“ belohnt. Von notorisch zur „geistigen Bedientenschaft“ (Max Scheler) gehörenden Figuren wie Küntzel im Deutschlandradio dafür gelobt zu werden, „Erschreckendes und Beschämendes“ über den „Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft“ enthüllt zu haben, kommt für Schwarz-Friesel und die sie alimentierende DFG daher der Ausstellung eines intellektuellen Totenscheins gleich. Mehr als Banalitäten aus dem Reservoir der „Vorurteile“ von „Anti-Antisemiten“ dürften mithin von einem derart konditionierten Projekt 2017 schwerlich präsentiert werden.

Obwohl die Grenzen zur Volkspädagogik auch in anderen, „antirassistisch“ gemeinten DFG-Projekten mittlerweile peinlich weit offen sind, ist nicht zu erwarten, daß die Bonner Forschungsförderer zukünftig darauf verzichten, in den Kulturwissenschaften der Bundeszentrale für politische Bildung scharfe Konkurrenz zu machen.

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