© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Das größte Buch über den Ersten Weltkrieg: Vom Pazifismus der „Stahlgewitter“
Jüngers aufgeklebter Nationalismus
(wm)

Im Jahr 2012 erschien für den britischen und US-Markt eine Übersetzung von „In Stahlgewittern“, die im Vorwort Ernst Jüngers Klassiker als eines der größten, wenn nicht das größte Buch über den Ersten Weltkrieg preist. Grundlage der Übersetzung war die letzte von sechs zwischen 1922 und 1978 vorgenommenen Überarbeitungen des Textes. Sie offenbart nach Auffassung des Jünger-Biographen Helmuth Kiesel (Universitas, 7/2014), daß der Autor mit wachsendem Zeitabstand von den Materialschlachten die „destruktiven Wirkungen“ des Krieges verstanden, sie „bedauert“ und „Trauer“ über das Geschehene zugelassen habe. Damit revidierte Jünger selbst das seit den 1920ern vorherrschende Urteil, es handle sich bei seinem Kriegstagebuch um ein „Manifest eines heroischen und bellizistischen Nationalismus“. Die von Kiesel ausgewertete Rezeptionsgeschichte bis 1933 belegt jedoch, daß nicht alle Zeitgenossen diese Einschätzung teilten. Gerade linke Publizisten wie der kurzzeitige KPD-Vorsitzende, SPD-Parlamentarier und Journalist Paul Levi oder der deutsch-jüdische Publizist Hans Sochaczewer empfahlen die „Stahlgewitter“ als „furchtbare Anklage gegen den Krieg“. Der lediglich „aufgeklebte“ Nationalismus, so meinte Johannes R. Becher, dämpfe die pazifistische Wirkung des Werkes keineswegs.

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