© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Die Frauen der Wikinger
TV-Kritik: Der NDR versucht vergeblich, historische und Zeitgeist-Themen zu einer unterhaltsamen Doku zu verschmelzen
Katharina Hirsch

Ein großer, mit grünem Gras bewachsener Hügel befindet sich mitten auf dem flachen Land. Unter diesem Hügel liegt ein Boot mit Grabbeigaben und zwei Leichnamen. Ein reicher Herrscher, der nach dem Glauben der Wikinger ein Nachfahre Odins gewesen sei, ist unter diesem Hügel begraben.

Jedoch waren es nicht nur Männer, die in einer solchen Grabanlage bestattet wurden. Ein Fund in Oseberg, Norwegen, bestätigt diese Annahme. Archäologen stellten fest, daß sich hier nicht die Gebeine eines Mannes, sondern die zweier Frauen befinden. Zahlreiche Sagas der Wikinger erzählen die Geschichten von Herrschern, aber auch die ihrer Frauen.

Der zweiteilige NDR-Dokumentarfilm „Die Frauen der Wikinger“ versucht die Rolle der Frauen zu dieser Zeit zu beschreiben (Pressetest: „Die komplexe Gesellschaftsstruktur der Wikinger und die Rolle der Frau in der damaligen Welt aufzeigen“). In den zwei spielfilmartigen Teilen werden die Geschichten von Sig-run und Jova, die zu dieser Zeit lebten, erzählt. Ob das Drehbuch einer der Sagas entnommen wurde, wird nicht erwähnt.

Es sind die Geschichten von Frauen wie Sigrun, der Gemahlin eines Wikingers, die ihren Mann verlassen will. Obwohl Historiker in diversen Kommentaren erklären, daß eine Scheidung, auch wenn die Frau sie beantragte, durchaus möglich gewesen sei, flüchtet Sigrun in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vom Hof ihres Mannes, um nach Island zu reisen.

Die andere Geschichte: Jova lebt als Sklavin auf dem Hof ihres Besitzers. Um sich von ihm freizukaufen, näht sie Handschuhe und versucht diese auf dem Markt zu verkaufen. Von ihrer Freundin erfährt sie, daß sie die Tochter eines reichen Mannes ist. Der Hofbesitzer soll lediglich ihr Erbe verwalten, bis sie alt genug ist, um es selbst zu verwalten. Jova macht sich auf die Suche nach ihrem Vater, der mittlerweile als Mönch in einem Kloster lebt.

Insgesamt handelt es sich bei dem Zweiteiler weder um eine reine Dokumentation, die ihre Zuschauer mit Fakten versorgt, noch um einen packenden Spielfilm, der den Betrachter durch eine Spannungskurve fesselt. Der Anspruch, zusätzlich Vorgänge wie „die Entstehung einer neuen demokratischen Gesellschaft auf Island“ zu schildern oder Nachteile der „mittelalterlich-christlichen Gesellschaft“ aufzuzeigen, überfrachtet die Kurzserie inhaltlich und ideologisch.

Die Frauen der Wikinger. Zweiteiliges Doku-Drama, Deutschland, 2014, Ausstrahlung bei Arte am 13. September um 20.15 Uhr und im NDR am 17. und 24. September, jeweils 21 Uhr

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