|
© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 38/14 / 12. September 2014
Blick in die Medien Der Vorgang erinnert an eine Komödie à la „Der Maulkorb“: Im November 2013 machte Leser „Tinker“ im Kommentarbereich der Netzseite des Darmstädter Echos seinem Mißmut über die unmotivierte Verwaltung der Gemeinde Mühltal Luft und wählte dabei kräftige Worte. Der Wut-Kommentar blieb einige Stunden sichtbar. Zeit genug, um zwei Mühltaler Amtsleiter darauf aufmerksam zu machen und in Rage zu bringen. Sie erstatteten Anzeige wegen Beleidigung. Die Polizei verlangte von der Redaktion den Klarnamen des unter „Tinker“ angemeldeten Nutzers. Die Journalisten wiegelten ab. Doch die Staatsanwaltschaft gab nicht auf, sondern erwirkte beim Amtsgericht Darmstadt einen Durchsuchungsbeschluß. Im Juni 2014 hielten Polizeiwagen vor der Redaktion des Echos. Ermittler der Staatsanwaltschaft drangen in die Redaktion ein und drohten mit der Beschlagnahmung der Computer. Der Verleger gab daraufhin auf – und die Nutzerdaten des aufmüpfigen Mühltalers preis. Einen besonderen Rüffel bekam auch der Richter, der die Durchsuchung angeordnet hat. Doch die Echo-Redaktion legte Beschwerde ein. Mit Erfolg – das Landgericht Darmstadt sorgte für eine harte Bauchlandung der übereifrigen Staatsanwälte. Das Gericht wertete die Aktion schlicht als grob rechtswidrig. Einen besonderen Rüffel bekam auch der Ermittlungsrichter, der die Durchsuchung angeordnet hatte. Erstens war die Antragsfrist nach der vermeintlichen Tat schon abgelaufen. Zweitens hatte er die Angaben der Staatsanwälte völlig ungeprüft in seine Anordnung hineinkopiert. Politik, Leser und Redaktion begrüßten das Urteil. Allerdings zeigten sich einige Kommentatoren nachhaltig davon verunsichert, daß die Zeitung die Daten übergeben hatte, obwohl „Echo Online verspricht, daß unsere Identitäten nicht preisgegeben werden“. Und dabei hatte der anonyme Nutzer nur eine deutsche Behörde beleidigt – und nicht einmal eine Minderheit oder eine besonders friedliche Religionsgemeinschaft. |