© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Dorn im Auge
Christian Dorn

Im Schloßpark-Theater Steglitz die „Stationen eines Komödianten“. Intendant Dieter Hallervorden begrüßt in seinem autobiographischen Soloprogramm „alle Damen und Herren – und die, die sich noch nicht entschieden haben“. Für selbsternannte Gender-Spezialisten dürfte diese Spitze wohl sexistisch sein. Kein Wunder: Ist hier doch das normale, „gemeine“ Publikum zu finden, die unheimliche Mitte der Gesellschaft. Bemerkenswert realitätsfremd ist hier auch das Selbstverständnis von Berlins schwulem Fetisch-Festival „Folsom Europe“ am kommenden Wochenende, in dessen Rahmenprogramm manche Party mit besonderen Verhaltenskodizes aufwartet: So dürfen die Teilnehmer keine „Kommentare über den Körper einer Person“ äußern, da dies „als sexistisch“ gelten könne. „Eine Person zu fragen, woher sie kommt“, könne indes als „rassistisch empfunden werden“. Die Frage nach einer erfolgten „Top- oder Bottom-OP“ wiederum impliziere den Verdacht von Transphobie.

Die letzte Zugabe in Haller-vordens Komödiantenabend: „Kennen Sie den Unterschied zwischen einer Politesse und Chappi? Chappi gibt’s jetzt auch mit Hirn.“

Die Titelseite vom Berliner Kurier zeigt in Großaufnahme die Visage des aus Berlin stammenden Isis-Kämpfers Denis Cuspert mit der Botschaft: „Wir schlachten euch alle!“ Einst hatte er, damals noch als kleinkrimineller Rapper Deso Dogg firmierend, nach der Filmpremiere von „Zivilcourage“ im Babylon, ehe ich mich versah, seinen rechten Arm um mich gelegt und (den Refrain seines Titelliedes zitierend) in einer Mischung von Patronage und Kumpelei gesagt: „Ey, du bist willkommen in meiner Welt.“ – Das zeigt mal wieder: Die Welt ist nie genug. Zum Glück gab es damals davon kein Selfie.

Ausflug zur Baustelle des Berliner Schlosses. Der Fortgang ist beeindruckend – unwillkürlich denke ich an die private Rundfunkwerbung, die seit Jahr und Tag unter dem Schlagwort „Das Schloß!“ für ein Einkaufszentrum im Süden der Stadt wirbt.

Im Schloßpark-Theater deutsche Erstaufführung der französischen Komödie „Die Selbstanzeige“, übersetzt vom Hausherren Dieter Hallervorden. Die Figur des Bankers Maurin stellt sich vor als führender Mitarbeiter des größten europäischen Geldinstitutes, der „VBE“ (Vereinigte Bank Europas). Die litauische Schauspielerin Elzé Gudaviciute spielt die Russin Olga, die das russische R rollen muß. Putin dürfte sich freuen.

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