© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Acht Euro fünfzig sind zuviel
Jobkiller: Eine Untersuchung des Dresdener Ifo-Zweiginstituts kommt zu dem Ergebnis, daß der deutsche Mindestlohn im internationalen Vergleich zu hoch ist
Christian Schwiesselmann

Der Mindestlohn wird kein Jobkiller sein, das bestätigen seriöse Studien und die Erfahrungen aus unseren europäischen Nachbarländern oder den Vereinigten Staaten“, behauptete der neue DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann im Juli in der Augsburger Zeitung.

Auch andere staatsgläubige Gewerkschaftsfunktionäre und Politiker verwiesen vor Einführung des Mindestlohns von 8,50 Euro pro Arbeitsstunde auf vergleichbare Regelungen in den „kapitalistischen“ Mutterländern Großbritannien und USA. Die Finanzwissenschaftler Andreas Knabe (Uni Magdeburg), Ronnie Schöb (FU Berlin) und Marcel Thum (TU Dresden) sind da skeptischer. In einer vergleichenden Untersuchung des Ifo-Filialinstituts Dresden begründen sie, warum der ab Anfang 2015 gültige Mindestlohn schlichtweg zu hoch sei, um keine negativen Beschäftigungseffekte zu zeitigen.

Wie kommen sie darauf? „Die (bei den Grafikern deutscher Tageszeitungen beliebte) Umrechnung von Mindestlöhnen mit Wechselkursen sagt wegen der in den betroffenen Ländern unterschiedlichen Arbeitsproduktivitäten nichts über die Eingriffsintensität eines Mindestlohnes aus“, schreiben die Forscher in Ifo Dresden berichtet 4/2014.

Letztlich kommt es auf das nationale Lohngefüge an

Deshalb vergleichen sie nicht die nominelle Lohnhöhe, sondern das Verhältnis zwischen Mindestlohn und mittlerem Lohn (Medianlohn). Wendet man die Lohnrelationen der USA und Großbritannien auf Deutschland an, dann dürfte der Mindestlohn in Westdeutschland höchstens 7,50 Euro und in Mitteldeutschland – wegen der niedrigeren Durchschnittslöhne – höchstens sechs Euro betragen. Entscheidend ist für die Ökonomen, wie viele Menschen tatsächlich unter die Mindestlohnregelung fallen, weil sie vorher einen niedrigeren Stundenlohn hatten. Waren in Großbritannien bei der Einführung des dortigen Mindestlohns von 3,60 Pfund 1999 rund fünf Prozent (1,2 Millionen) aller Beschäftigten betroffen, werden es in Deutschland nächstes Jahr im Westen 12,5 und im Osten 20 Prozent sein.

„Die unterschiedlichen Anteile der vom Mindestlohn Betroffenen legen schon nahe, daß vorschnelle Vergleiche nach dem Motto ‘Mindestlohn = Mindestlohn’ gefährlich sind“, schlußfolgern die Autoren um den Geschäftsführer der Dresdener Dependance des Münchner Ifo-Instituts, Marcel Thum.

Hätte die Große Koalition den deutschen Mindestlohn mit ähnlich geringer Eingriffsintensität eingeführt wie die Briten, dann dürfte er deutschlandweit nur bei 6,20 Euro liegen. In Mitteldeutschland sogar nur bei 4,60 Euro, wollte man die Betroffenheit auf fünf Prozent senken. Beim Vergleich kommt es letztlich auf das nationale Lohngefüge an, das in Deutschland relativ niedrig ist.

www.cesifo-group.de

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