© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Angst frißt Seele auf
Unter Zombies: Die Furcht vor islamistischer Gewalt auch hierzulande drückt sich in Unterwerfungsgesten aus
Thorsten Hinz

Es gibt nicht nur neuen Judenhaß in Deutschland. Auch Christen und Jesiden, die vor dem Terror der Islamisten im Nahen und Mittleren Osten nach Deutschland geflüchtet sind, stellen fest, daß ihre Verfolgung sich hier fortsetzt. Es hat sich eine Unterstützer-szene für den „Islamischen Staat“ (IS) formiert, und die Behörden zittern vor der Rückkehr brutalisierter Kämpfer mit deutschem Paß.

Es sind extreme Repräsentanten des „youth bulge“, des muslimischen Jugendüberschusses, der sich in den Ballungszentren und längst auch in der Fläche Europas ausbreitet. Sollte es ihnen gelingen, seine Radikalisierung in der Breite voranzutreiben, wären die Folgen unausdenkbar. Morde wie der am amerikanischen Journalisten James Foley sind schon heute nicht mehr auf den Orient beschränkt. Im November 2004 wurde der Filmemacher Theo van Gogh in Amsterdam von einem islamischen Fundamentalisten öffentlich abgeschlachtet (JF 49/04), und 2013 zerhackten afrikanische Islamisten in London einen britischen Soldaten (JF 23/13).

Fragen wie die, ob der Islam den Islamismus bedingt, ob der Islamismus als „dritte radikale Widerstandsbewegung“ gegen die Moderne (Ernst Nolte), als Eskalationsstufe im „Kampf der Kulturen“ (Samuel Huntington) oder schlicht als „das Böse“ (Leon de Winter) zu verstehen ist, sind sekundär. Wichtiger ist, wie die deutsche Öffentlichkeit auf die Herausforderung reagiert. Als kürzlich der stellvertretende Chefredakteur der Bild am Sonntag, Nicolaus Fest, konstatierte, daß die islamische Zuwanderung für Konflikte sorgt, die wir ohne sie nicht hätten, schlugen über ihm die Wogen der Entrüstung zusammen. Die Schattenkämpfe gegen angebliche Fremdenfeinde und gegen Islamophobie gehen ungerührt weiter.

Kollektiv gestörte Wahrnehmung

Der Antisemitismusforscher Wolfgang Benz sieht den Alltag davon bestimmt, „daß junge Muslime und Juden aufeinander zugehen: in Berlin-Neukölln, in Duisburg, an anderen Orten.“ In der taz erkennt ein Migrationsexperte in den indigenen Deutschen das Kernproblem. Sie kämen nicht damit zurecht, daß sie die Zuwanderer nicht mehr „von oben herab kontrollieren“ könnten. „Ihren Ärger und ihre Verunsicherung darüber agiert die deutsch-weiße Mittelschicht auf Schulhöfen, in der U-Bahn und in den Medien mit antimuslimischer Rhetorik aus.“ Zeit Online sorgt sich unter der Schlagzeile „Und im stillen brennen die Moscheen“ um den „gruppenbezogenen Menschenhaß“ und den „strukturellen Haß auf Muslime“. Und der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff erhält für den ahnungslosen Satz, der Islam gehöre zu Deutschland, den Toleranzpreis der Evangelischen Akademie Tutzing.

Es ist sinnlos, auf solche Absurditäten argumentativ einzugehen. Sie sind als Symptome einer kollektiv gestörten Wahrnehmung, eines Massenwahns zu verstehen. In dem amerikanischen Science-fiction-Film „Die Körperfresser kommen“ (1978) wird San Francisco von einer außerirdischen Invasion heimgesucht. Mikroorganismen bemächtigen sich der Menschen im Schlaf und ersetzen sie durch äußerlich identische, jedoch mechanisch agierende Doppelgänger. Die Körperfresser sind also vor allem Seelenfresser. Mit der steigenden Zahl emotionsfreier Menschen-Duplikate breiten sich Furcht und Aggressivität aus. Mit einem tierhaften Signalruf machen die Zombies auf die normal gebliebenen Menschen aufmerksam und blasen zur Jagd.

Dr. Matthew Bennell, ein Angestellter der städtischen Gesundheitsbehörde (gespielt von Donald Sutherland), und seine Lebensgefährtin versuchen, die Öffentlichkeit zu warnen und das Unheil aufzuhalten, doch vergeblich: Die öffentlichen Institutionen sind bereits unterwandert worden!

Der Mikroorganismus, der heute Körper und Seelen frißt, ist die Angst. Die harmlose Variante ist die soziale Angst, also die Befürchtung, sich durch islamkritische Äußerungen zu isolieren, seine Karriere zu verderben oder arbeitslos zu werden. Von ihr sind vor allem Politiker, Journalisten, Angehörige des öffentlichen Dienstes befallen.

Es gibt zweitens die Angst, zu sich selbst und zu allem, was man geglaubt, gedacht, behauptet, bewirkt hat, in Widerspruch zu geraten. Das trifft auf Intellektuelle wie Benz & Co. zu. Über die Verheerungen, die dieses Milieu seit 1989 angerichtet hat, schrieb der Historiker Ernst Nolte: „(...) die radikale Linke in Deutschland kam aus ihrer tiefen Niedergeschlagenheit erst durch die Aktivitäten ‘fremdenfeindlicher’ Täter zur Zuversicht des Rechthabens zurück. Dadurch wurden die Schleusen der Immigration offengehalten, und es kam, wie in Frankreich und England, aber mit stärkerem ideologischen Akzent, ein potentiell weltgeschichtlicher Prozeß in Gang, der auch dem Islamismus neue Möglichkeiten eröffnete.“ Niemand mag sein Selbst durch das Eingeständnis widerlegen, mit seiner Arbeit nichts als Unheil angerichtet zu haben.

Ganze Stadtteile werden nicht mehr sorglos betreten

Am stärksten aber wirkt ein drittes Angstmotiv: die Furcht vor der physischen Bedrohung. Sie ist gegenwärtig, wenn öffentliche Verkehrsmittel, Straßenzüge oder ganze Stadtteile von der einheimischen Bevölkerung nicht mehr sorglos betreten werden. Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft bei einschlägigen Straftaten zur Jagd getragen werden müssen oder sie den Geschädigten von einer Anzeige abraten, weil andernfalls die Rache von Clans oder Jugendbanden droht.

Wie tief die Furcht in die Institutionen eingedrungen ist, kann man in den Büchern von Kirsten Heisig („Das Ende der Geduld. Konsequent gegen jugendliche Gewalttäter“) oder Udo Ulfkotte nachlesen. In dem Film „Wut“ (2006) zeigt Regisseur Züli Aladağ die Terrorisierung einer gutbürgerlichen Familie durch eine türkische Gang. Die ARD verschob damals die Sendung ins Spätprogramm, vorgeblich aus Jugendschutzgründen, obwohl – oder weil? – nur gezeigt wurde, was der deutsche Staat durch seine Unterlassungen deutschen Jugendlichen zumutet. Um so schneller werden die Behörden gegen Kritiker aktiv und werfen ihnen Ausländerfeindlichkeit oder gar „Volksverhetzung“ vor.

Im Journalismus sieht es ähnlich trostlos aus. Ein aktuelles Beispiel: Am 12. August veröffentlichte die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post den Artikel „Der Islam ist eine totalitäre Religion“ des Schweizer Journalisten Frank A. Meyer. Drei Tage später folgte die Entgegnung „Der Islam war einst Hort der Zivilisation“, in der die Behauptung muslimischer Funktionäre, daß Europa auch islamische Wurzeln habe, reichlich bedient wurde. Was als Austausch unterschiedlicher Positionen daherkam, stellte sich als politischer Kotau heraus, denn gleichzeitig wurde Meyers Artikel aus dem elektronischen Zeitungsarchiv gelöscht.

Im vergangenen Jahr ist der Vorsitzende der islamkritischen Splitterpartei Pro NRW, Markus Beisicht, knapp einem Mordanschlag von Islamisten entgangen. Der Tenor der anderen Parteien und der Medien lautete, Beisicht hätte sich das versuchte Attentat durch seine „Hetze“ selber zuzuschreiben. Die Schuldumkehr bedeutet, daß Politiker und Journalisten die Gewaltandrohung bis hin zum Mord nicht nur stillschweigend akzeptiert und verinnerlicht haben, sondern daß sie ihr auch gehorchen. Das kommt der Zerstörung der politischen und geistigen Freiheit gleich, deren Grundlagen die Gedanken- und Redefreiheit sind.

Politiker, Journalisten und Verbandsfunktionäre veredeln ihre Angst zur Verantwortungsethik, mit der sie den inneren Frieden sichern. Doch es sind Unterwerfungsgesten gegenüber dem muslimischen „youth bulge“, die langfristig zur Friedhofsruhe führen. Vielleicht halten sie angesichts der demographischen Entwicklung ein deutsches Kalifat für unvermeidlich. Das würde ihr Verhalten erklären. In Klaus Manns Roman „Mephisto“ setzt ein Star des liberalen Journalismus seine Karriere im Dritten Reich bruchlos fort. Der gute Mann hat nämlich vorgesorgt und noch in der „Systemzeit“ der Weimarer Republik ein Buch „Die Getreuen des Führers“ veröffentlicht. Unter Pseudonym zwar, aber immerhin!

Die Aussichten sind also nicht sehr erfreulich, und auch der Schluß des „Körperfresser“-Films spendet keinen Trost. Am Ende ist auch Dr. Bennell alias Donald Sutherland nur noch ein zombiehaftes Duplikat und denunziert mit schrillem Schrei seine Lebensgefährtin, den letzten übriggebliebenen Menschen in der Stadt.

Islamisten in Deutschland

Das islamistische Potential in Deutschland bezifferte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV)Ende 2013 auf 43.190 Personen. Die meisten davon werden dem Salafismus zugerechnet, einer besonders radikalen Variante des Islamismus. Das Ziel der Salafisten sei „die vollständige Ausrichtung von Staat, Gesellschaft und individueller Lebensgestaltung nach als ’gottgewollt’ postulierten Normen“, schreibt das BfV in seinem Jahresbericht. Mit ihrer weiteren Zunahme sei auch dieses Jahr zu rechnen.

Foto: Filmszene aus „Die Körperfresser kommen“ (1978) mit Donald Sutherland in der Hauptrolle: Mikro-organismen bemächtigen sich der Menschen im Schlaf und ersetzen sie durch äußerlich identische, jedoch emotionsfreie, mechanisch agierende Doppelgänger

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